Boltenhagener Hotel! Meine Phantasie schlägt jetzt nach dem Jetlag Purzelbäume, weil ich mir ausmale, wie wir den Gutschein bei einem gemeinsamen Essen auf den Kopf hauen …
Wie auch immer, ich freue mich sehr darüber. Das heißt also, wir werden uns auf jeden Fall im Januar oder Februar sehen?
Bis dahin habe ich dann auch meine Sinne wieder bei mir (oder verliere sie komplett?!). Ich komme mir nämlich noch etwas fremd vor, weiß nicht so recht, was ich mit mir und der Welt anfangen soll. Es ist, als säße ich unter einer Käseglocke.
Was bedeutet es für mich, dass wir uns bald sehen? Ich spüre nichts, außer dass ich weiß, dass ich mich freuen müsste. Genauso weiß ich auch, dass ich eigentlich dringend meine Mutter besuchen müsste, habe aber keine Lust dazu. Stattdessen war ich gestern noch schnell im Supermarkt einkaufen und habe mich für den Rest des Jahres mit Lebensmitteln versorgt. Irgendwie will ich nämlich gar nicht mehr raus. Habe ich eine Winterdepression?
Apropos. Wann geht denn Dein Flug nach New York?
Ich vermisse Dich irgendwie sehr schmerzlich. Kannst Du mir nicht erzählen, was Du heute so gemacht hast? Mich an Deinem Tag teilhaben lassen? Was sagt Deine Schwester? Was Dein schwuler Freund? Wie geht es Dir? Was trägst Du? Welches Kleidungsstück hast Du Dir zuletzt gekauft? Ich habe irgendwie das Bedürfnis nach Nähe …
Feste Umarmung.
Dein Berti Unbekannt
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So 18. Dezember 18:50
Betreff: AW : Trautes Heim, kalt und allein
Von:
[email protected] An:
[email protected] Hallo Herr Unbekannt,
schön, dass du wieder da bist!
Nicht schön ist, dass du dich nicht richtig auf unsere Begegnung freuen kannst – und sie außerdem mit einem Besuch bei deiner Mutter gleichsetzt. Ich meine, ich weiß ja, dass du sie im Prinzip ganz gern siehst. Aber wenn du einen Tipp in Sachen Flirtoffensive haben möchtest: Erwähne ein romantisches Rendezvous besser nie im selben Atemzug mit der eigenen Mutter oder einem Supermarkteinkauf!
Ach, ich blöde Zicke. Eigentlich habe ich gar keinen Grund, dich dumm von der Seite anzumachen. Ich glaube, ich bin nur einfach genauso unsicher wie du. Ich habe tatsächlich Angst davor, dir schon bald gegenüberzustehen und in die Augen zu sehen. Andererseits weiß ich, dass ich mich, falls es doch nicht zu einem Treffen kommen sollte, mein ganzes Leben fragen würde: Was wäre gewesen, wenn …?
Ich gebe auch gerne zu, dass ich mir bereits einige Male beim Einschlafen ausgemalt habe, wie es wohl wäre, dich vom Flughafen abzuholen. Aber selbst wenn ich mir deine Ankunftszeit irgendwie hätte zusammenreimen können, wie hätte ich dich erkennen sollen? Ich hätte dich schon ausrufen lassen müssen, damit wir nicht einfach aneinander vorbeilaufen. Schon seltsam … Und dann habe ich mir sozusagen ersatzweise vorgestellt, wie du nach Hause kommst und dich endlich traust, den Hörer in die Hand zu nehmen, um mich anzurufen und mir zu sagen, dass du heil gelandet bist. Aber kein Anruf, nicht mal eine Postkarte. *seufz*
Zu deinen Fragen:
Du hast vielleicht einen Jetlag, aber sicher keine saisonal abhängige Depression, da du nach so einer Reise nicht so schnell mit einem Serotoninmangel zu kämpfen haben dürftest.
Meine Reise in eine neue Zukunft startet am 26. 12. und endet im nächsten Jahr am 8. 1.
Ich war heute mit meiner Nichte und meinem Neffen im Weihnachtsmärchen. Das war so herzerwärmend, dass sich eine Hormonflut in meinem Körper breitmachte, die meinen verschütteten Kinderwunsch auf brutale Weise ausgerechnet am 4. Advent in den Fokus meiner trüben Gedanken katapultierte.
Meine Schwester sagt, alles wird gut, meint aber in Wahrheit: Wenn ich so weitermache, ende ich noch wie die Frau von James Stewart in «Ist das Leben nicht schön?» (falls die Geschichte tatsächlich anders verlaufen wäre und die beiden nie glücklich miteinander geworden wären – so wie Engel Charlie es ihm zeigt … *schnief*).
Fiete sagt, ich soll dich sofort besuchen und «mich endlich mal wieder vögeln lassen» (sorry, das hat er wortwörtlich gesagt, und das nicht nur ein Mal.).
Ich habe mich eben in meinen Bademantel gekuschelt und es mir mit dem Laptop auf meinem Sofa gemütlich gemacht. Es geht mir also gut.
Was ich mir als Letztes gekauft habe? Dunkelrote Spitzenunterwäsche. (Aber ich hatte bislang noch keine Gelegenheit, sie zu tragen …)
Grüße & Küsse vom Sofa
Sara
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So