Herz an Herz
wollen. Ich wurde panisch und habe ALLES durchwühlt, mehrmals, aber der Pass blieb weg. Mist! Nachdem mein Verstand langsam wieder einsetzte, bin ich zum Schalter von Thai Air. Vielleicht, so mein kühner Gedanke, bräuchte ich gar keinen Reisepass für die Ausreise. Aber Pustekuchen! Die netten Damen haben mich ins Polizeibüro des Flughafens geschickt. Ich bin also mit meinem Koffer dorthin und habe den Verlust meines Reisepasses zu Protokoll gegeben. Von mir wurden Passbilder geschossen, und dann hat man mich mit der deutschen Botschaft telefonieren lassen. Die haben gesagt, ich solle mich beeilen und vorbeikommen. Eine nette Mitarbeiterin der Polizeistation hat mir die Adresse der Botschaft auf einen Zettel geschrieben, und diesen Zettel habe ich dann einem Taxifahrer gezeigt. Ich saß also wieder in einem Taxi und bin zurück in die Stadt. Die gleichen Eindrücke hatte ich schon vor 14 Tagen von der Stadt bekommen, als ich auf dem Weg zu meiner Insel war, aber heute wollte ich andere Eindrücke und nicht diese abgestandenen. Ich wollte nach Hause.
Ich habe versucht, mich zu entspannen. Habe mir gesagt: Was soll’s, Berti, mach dich locker, es ist alles nur ein Spaß. Aber es hat nichts genutzt. Ich war in purem Panik-Modus. Immer wieder habe ich auf die Uhr gesehen. Denn die Zeit saß mir im Nacken, und natürlich war der Verkehr mörderisch. Auf dem Weg in die Stadt (der Flughafen liegt ziemlich weit draußen) ging mir ständig durch den Kopf, was passieren würde, wenn ich in den nächsten Tagen gar keinen Flug bekommen könnte. (Es ist Hauptreisezeit in Thailand!) Ich kam einfach nicht zur Ruhe, und zu allem Überfluss merkte ich, dass der Fahrer zu dem Viertel fuhr, wo mein Hotel gelegen hatte. Ich zögerte. Schließlich fragte ich ihn, ob wir richtig seien, und holte noch einmal den Zettel hervor. Und dabei stellte ich fest, dass auf dem Zettel zwei Adressen standen. Eine auf Thailändisch, das war die Adresse meines Hotels, und eine andere mit der Adresse der Botschaft. Und natürlich hatte der Taxifahrer die Adresse meines Hotels gesehen, denn die war ja in seiner Sprache. Verdammt! Der Fahrer war sauer, und ich war sauer, und schließlich drehten wir um. Eine gefühlte Ewigkeit später kam ich an der Botschaft an, hievte meinen Koffer aus dem Taxi und wurde eingelassen. Ich musste einen Sicherheitscheck über mich ergehen lassen und einen langen Gang entlanglaufen.
Schließlich saß ich als einziger Mensch in einer Wartehalle. Weit und breit war sonst niemand. Irgendwann erschien eine Frau hinter einem der Schalter, die mit dickem Panzerglas geschützt waren, und wir redeten über ein Sprechgerät. Die Deutsche war sachlich und wirkte immens unfreundlich. (Wahrscheinlich dachte sie, ich hätte meinen Pass im Suff verloren.) Dann musste ich noch eine halbe Stunde warten. Und das war der erste Moment seit Betreten des Flughafens, in dem ich ruhiger wurde. Ich wusste, jetzt würde alles seinen Gang gehen. (Würde es zwar nicht, aber das wusste ich da ja noch nicht.) Ich dachte, was sollte schon passieren. Ich hatte Geld für ein Hotel und würde im schlimmsten Fall ein, zwei Tage auf einen Rückflug warten. Thailand ist billig, also keine Panik, Berti.
Schließlich erschien besagte Dame wieder, gab mir einen Ersatz-Reisepass und meinte, ich müsse jetzt nur noch mein Visum ändern lassen. Ich sah sie erschrocken an. Bitte? Aber tatsächlich: Da mein Visum im Reisepass klebte und ich ohne das Dokument nicht wieder rausgelassen werden würde, musste ich mir erst ein neues Visum ausstellen lassen. Für heute, so meinte die Dame hinter ihrem Panzerglas (und mir war so, als könne ich ein hämisches Grinsen in ihrem Gesicht erkennen), sei das Amt aber schon geschlossen. Ich müsste es morgen versuchen.
Ich bedankte mich freundlich und ging mit Reisepass und Koffer wieder nach draußen, wo es heiß und feucht war. Irgendwie fühlte ich mich hier nicht mehr wohl. Ich wollte nach Hause. Außerdem wusste ich nicht, was ich jetzt tun sollte. Sollte ich mir ein Hotel suchen? Wenn ja, wo? Sollte ich zu meinem alten Hotel zurück?
Ich stand eine Weile da und überlegte. Ich war ausgepowert und kaputt, und der Schweiß lief mir den Rücken hinab. Das Amt lag nur ein paar Schritte entfernt von der Botschaft, also ging ich mit dem Koffer in die Richtung, um mich umzusehen. Auf dem Weg dorthin kam ich an einem Hotel vorbei. Es war das vollkommene Gegenteil von der Absteige, in der ich die letzten Tage gewohnt hatte.
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