Herz aus Eis
die Kanes billigen Schreibtisch aus Eiche entfernen und ihn durch einen William-Kent-Sozius-Schreibtisch aus dem Jahre 1740 ersetzen mußten. Der große Tisch aus dunklem Holz hatte Nischen für drei Stühle — zwei für den Chef und dessen Sozius und eine für deren Besucher. Houston stellte zwei bequeme mit Leder bezogene Stühle vor den Schreibtisch und für Kane einem mächtigen Sessel mit roten Lederpolstern dahinter. Als sie bei ihrem ersten Besuch diesen Sessel im Speicher entdeckt hatte, wußte sie sofort, für wen er gedacht war und wohin er gehörte.
Als der Sozius-Schreibtisch an der richtigen Stelle stand, schickte Houston alle Dienstboten bis auf Susan aus dem Zimmer. Dann begannen sie, den Inhalt der Schubladen und Fächer auszusortieren. Houston wußte, daß es sinnlos war, irgendeine Ordnung in die Papiere zu bringen, die an jeder dafür verfügbaren Stelle bündelweise abgelegt waren. Sie gab lediglich Susan den Auftrag, zwei Bügeleisen zu besorgen, mit denen sie die zerknitterten und zerknüllten Briefe und Dokumente glätteten, ehe sie diese in die Schubladen einordneten.
Zwei mit Glastüren versehene und mit Korrespondenz bis zum Rand gefüllte Büroschränke flankierten den Kamin. Hinter einigen Papieren entdeckte Houston vier Whiskyflaschen und sechs Gläser, die offenbar seit vier Jahren nicht mehr gespült worden waren.
»Koche die in Seifenwasser«, sagte Houston und hielt die Gläser so weit von sich, wie es ihr Arm erlaubte. »Und sorge dafür, daß Mr. Taggert jeden Morgen frische Gläser in seinem Wandschrank vorfindet.«
Dann stellte sie eine Sammlung kleiner aus Messing gefertigter Venus-Statuen hinter die Glastüren der Aktenschränke.
»Mr. Kane wird das aber gefallen«, meinte Susan kichernd, als sie die nackten Damen mit den etwas fülligen Reizen betrachtete.
»Ich glaube, sie wurden wohl auch seinetwegen angeschafft.«
In der Täfelung der Nordwand entdeckte Houston zwei hinter Schnörkelwerk versteckte eingebaute Schränke, und als Houston einen davon öffnete, stockte ihr der Atem: Zwischen Dokumenten lagen dicke Stöße von Banknoten, teils verschnürt, teils zu Bällen geformt. Auch einige lose größere Scheine befanden sich darunter, die auf den Fußboden hinunterflatterten, als sie die Schranktüren öffnete.
Seufzend begann Houston, die Scheine zu sortieren. »Sag Albert Bescheid, er soll in einer Eisenwarenhandlung anrufen, daß sie uns umgehend eine Bargeldkasse schicken sollen. Und dann wollen wir zusehen, ob wir mit dem Bügeleisen auch die Banknoten wieder einigermaßen glatt bekommen.«
Mit großen erstaunten Augen machte Susan sich daran, Dollarscheine zu bügeln.
Als Kane sein Büro wiedersah, ging er eine Weile lang stumm umher und betrachtete die dunkelblauen Brokatvorhänge, die Sammlung nackter hübscher Frauen und den roten Ledersessel, in den er sich schließlich setzte und sagte: »Wenigstens hast du die Wände nicht mit rosa Farbe angestrichen. Willst du mich jetzt wieder arbeiten lassen?«
Houston lächelte, als sie ihn im Vorbeigehen auf die Stirn küßte. »Ich wußte, es würde dir gefallen. Ob du es zugeben willst oder nicht — dir gefallen hübsche Sachen.«
Er langte nach ihrer Hand. »Ich schätze, du hast recht«, sagte er und sah ihr dabei in die Augen.
Houston verließ das Büro, als ginge sie auf Wolken, und während der Anprobe bei ihrer Schneiderin lächelte sie die ganze Zeit.
Zwei Tage später gaben sie ihre erste Dinner-Party, und sie wurde ein Riesenerfolg. Houston lud nur einige von ihren Freundinnen und Freunden ein, die Kane bereits kannte, damit er keine Hemmung bekam und sich wohl fühlen konnte, und er erwies sich als ein bezaubernder Gastgeber. Er goß den Ladies Champagner ein und führte jeden, der die inzwischen eingerichteten Zimmer besichtigen wollte, durch das Haus.
Erst später, während der Darbietung, hätte Houston sich gern unsichtbar gemacht. Sie hatte einen Hellseher, der sich auf Tournee befand, verpflichtet, den Gästen nach dem Dinner Proben seiner Kunst zu geben. Kane rutschte während der ersten zehn Minuten unruhig in seinem Sessel hin und her und begann dann mit Edan, der neben ihm saß, über den Kauf eines Grundstückes zu reden. Houston stieß ihn einmal mit dem Ellenbogen an, und er drehte sich zu ihr und sagte, mit viel zu lauter Stimme, daß er den Mann für einen Betrüger hielte und er sich weigerte, auch nur noch eine Minute länger hier sitzenzubleiben.
Dann stand er vor allen Leuten
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