Herz aus Eis
untergebracht wurde, mit einem separaten Ausgang zum Garten und gleich neben der Treppe für das Gesinde, während sie die Zimmer der Haushälterin im ersten Stock bezog.
Kane blieb in seinem Büro, als das Mittagessen serviert wurde; aber Edan erschien an der nun um zwei Personen erweiterten Familientafel. Ian entspannte sich sichtlich, als er seinen Onkel und seine Kusine am Tisch sitzen sah, und die Mahlzeit wurde zu einer sehr amüsanten Angelegenheit, als Sherwin eine komische Geschichte aus dem Bergwerkslager erzählte. Als sie alle lachten, kam Kane ins Speisezimmer. Houston stellte ihn seinen Verwandten vor, und er schaute sich nach einem Stuhl um. Da Jean neben Edan saß, blieb Kane einen Moment hinter ihr stehen, bis Houston einem Diener das Zeichen gab, den Stuhl am Kopfende der Tafel unter dem Tisch hervorzuziehen.
Kane nahm Platz und sagte bis zum Ende der Mahlzeit kaum ein Wort, beobachtete nur jeden und ganz besonders Houston, wenn sie einen Bissen zum Mund führte. Sie aß langsam, zog die Mahlzeit in die Länge und ließ sich viel Zeit, wenn sie eine Gabel oder einen Löffel aufnahm, damit Kane sehen konnte, welche Bestecke sie verwendete.
Gegen Ende der Mahlzeit wandte sich Houston Ian zu und sagte: »Ich habe eine gute Nachricht für dich. Gestern schickte ich ein Telegramm an einen Freund meines Vaters, der in Denver wohnt, und fragte ihn, ob er nicht nach Chandler ziehen und dich unterrichten wolle. Mr. Chesterton ist ein pensionierter britischer Forscher, der im Auftrag seiner Regierung die ganze Welt bereist hat, den Nil bis zu den Quellen erkundete, die Pyramiden, das Bergland von Tibet. Ich glaube, es gibt keinen Winkel auf dieser Erde, den er nicht kennt. Und heute morgen bekam ich von ihm die Zusage, daß er hierherkommen wird. Ich denke, er wird einen phantastischen Lehrer abgeben, glaubst du nicht auch?«
Ian konnte sie nur mit großen Augen anstarren. »Afrika?« brachte er schließlich heraus.
»Kennt er wie seine Westentasche.« Sie schob ihren Stuhl zurück. »Wer von euch würde jetzt gern Baseball spielen? Ich habe die Geräte dafür, und auf dem Rasen hinter dem Nordflügel ist ein Spielfeld mit Kreide markiert. Ich habe auch ein Lehrbuch besorgt, verstehe nur leider kein Wort davon.«
»Ich glaube, Ian kann dir die Grundbegriffe beibringen«, sagte Sherwin augenzwinkernd. »Und ich möchte meinen, daß auch Edan ein paar Regeln dieses Spiels beherrscht.«
»Wollen Sie mitspielen, Edan?«
»Mit Vergnügen.«
»Und du, Jean?«
»Da ich keine Ahnung habe, wo ich in einem so großen Haus als Wirtschafterin überhaupt anfangen soll, kann ich mich ebensogut auf einem Baseballfeld nutzlos machen.«
»Und Kane?« fragte Houston Kane, als er sich von der Gruppe bereits zurückziehen wollte. Er machte ein verdutztes Gesicht.
»Ich habe zu arbeiten. Und dich brauche ich auch in meinem Büro, Edan.«
»Damit falle ich als Baseballspieler aus, schätze ich«, sagte Edan, sich von seinem Platz erhebend. »Wir sehen uns dann beim Abendessen wieder.«
Als die beiden sich in Kanes Büro zurückgezogen hatten, mußte Edan erleben, wie sein Freund im Zimmer auf- und abmarschierte und immer aus dem Fenster sah. Edan fragte sich, ob Houston nicht absichtlich das Spielfeld auf den Rasen vor Kanes Büro verlegt hatte. Edan mußte seine Fragen zweimal wiederholen, ehe Kane sie beantwortete.
»Sie ist wirklich hübsch, nicht wahr?« fragte Kane.
»Wer?« fragte Edan, den Ahnungslosen spielend, während er den Stoß von Telegrammen durchsah, die am Morgen eingetroffen waren: Angebote von Ländereien, Fabriken, Aktien — was Kane eben in diesem Moment an- oder verkaufte.
»Houston natürlich. Verdammt! Schau dir diesen Ian an. Er spielt! In seinem Alter habe ich vierzehn Stunden täglich gearbeitet.«
»Und er auch«, sagte Edan. »Und ich ebenfalls. Und das ist der Grund, warum er jetzt spielt«, fügte er hinzu, während er die Telegramme auf den Schreibtisch zurücklegte. »Das alles hier kann ein paar Stunden warten. Ich denke, ich gehe eine Weile hinaus und genieße die Sonne. Und rede mal über etwas anderes als über Geld.«
Er hielt unter der Tür an. »Kommst du mit?«
»Nein«, sagte Kane, die Augen auf seinen Papieren. »Jemand sollte sich lieber hier . . .« Er sah hoch. »Teufel, ja, ich komme mit. Wie weit kann jemand mit so einem Holz den Ball wegbringen? Ich wette hundert zu eins, daß ich dich und jeden anderen da draußen schlagen kann.«
»Die Wette gilt«, sagte
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