Herz aus Eis
Haustür, doch nichts regte sich dahinter, und so ließ sie sich selbst ein und ging durch die Halle. Ihre Schritte hallten so hohl von den Wänden wider, als beträte sie ein unbewohntes Haus.
Opal strich mit dem Finger an der Kante eines Tisches entlang, der in der Halle stand. Es war erstaunlich, wieviel Staub sich in zwei kurzen Wochen ansammeln konnte.
Sie rief Kanes Namen, doch sie bekam keine Antwort. Sie war bisher nur einmal in diesem Haus gewesen und kannte sich nicht besonders gut aus. Es dauerte eine Weile, bis sie sich im Erdgeschoß zurechtfand und dann im Oberstock suchte. Als sie dann oben aus Kanes Schlafzimmerfenster blickte, sah sie ihn unten quer über den Rasen gehen.
Sie rannte förmlich die Treppe hinunter und über das Gras, das dringend einer Sense bedurfte. Sie folgte einem gewundenen Pfad und fand ihn am Fuße des Hügels in einer Senke bei einem Baum. Er stand da, rauchte eine seiner herrlich duftenden Zigarren und starrte ins Leere.
Er drehte sich um und sah sie an, als sie auf ihn zuging. »Und was bringt dich heute morgen zu mir?« fragte er vorsichtig.
Opal holte tief Luft. »Ich hörte, du warst wütend auf meine Tochter und hast sie aus dem Haus geworfen.«
»Einen Teufel habe ich getan! Sie hat mich verlassen! Sagte, sie habe keinen Respekt mehr vor mir oder so etwas Ähnliches.«
Opal setzte sich unter den Baum auf eine steinerne Bank. »Das hatte ich befürchtet. Houston ist genauso, wie ihr Vater war. Würdest du mir vielleicht erzählen, was passiert ist? Von ihr erfahre ich kein Wort. Auch das erinnert mich an ihren Vater.«
Kane schwieg und sah wieder zu den Büschen hinüber.
»Ich weiß, es geht mich nichts an; doch wenn es irgendwie mit. . . mit dem Schlafzimmer zu tun hat, weiß ich, daß Houston da ein bißchen ängstlich ist. Doch mit ein wenig Geduld . . .«
»Ängstlich? Houston? Redest du von der Frau, die mich geheiratet hat? Sie fürchtet sich vor nichts im Bett.«
Opal spielte mit feuerrotem Gesicht mit ihren Handschuhen. »Nun, dann muß es vielleicht etwas andres gewesen sein.« Sie wartete. »Wenn du fürchtest, ich könnte es nicht für mich behalten, versichere ich dir . . .«
»In dieser Stadt bleibt sowieso nichts geheim. Hör zu. Vielleicht begreifst du, was sie so wütend machte. Ich begreife es nicht. Weißt du, daß ich früher mal als Stallbursche für Fenton gearbeitet habe? Ich mußte im Stall wohnen, durfte nicht ein einziges Mal sein Haus betreten, und ich habe mir immer wieder vorzustellen versucht, wie man sich denn so fühlt als Besitzer einer so großen Villa. Und später, als ich Fentons Tochter heiraten wollte, sagte er, ich wäre nicht gut genug für sie. Also verließ ich Chandler und begann mit dem Geldverdienen; doch irgendwo im Hinterstübchen meines Gehirns setzte sich der Traum fest, daß ich ihn eines Tages zum Dinner in mein Haus holen würde, das größer wäre als seines, und daß eine Lady-Ehefrau am Fußende der Tafel sitzen würde.«
Opal brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, daß dies das Ende seiner Geschichte war und sie sich den Rest nun selbst zusammenreimen mußte. »Du meine Güte«, sagte sie nach einer Weile. »Soll das heißen, du hättest dir dieses riesige Haus nur gebaut und meine Tochter nur geheiratet, um dir diesen Traum zu erfüllen?«
Sie wartete vergeblich auf Kanes Antwort.
Opal lächelte. »Kein Wunder, daß meine Tochter dich verließ, sobald sie das erfuhr. Sie muß sich schrecklich mißbraucht Vorkommen.«
»Mißbraucht? Hat sie das nicht auch mit mir getan? Sie hat mich meines Geldes wegen geheiratet!«
Opal verging das Lächeln. Sie blickte ihn mit ernsten Augen an. »Tatsächlich? Hast du einen Begriff, wie hart Mr. Gates sie ins Gebet genommen hat, damit sie dich nicht heiratet? Tatsächlich haben ihr viele Leute davon abgeraten. Aber sie nahm dich doch. Und was das Geld anlangt, so hatte sie selbst genug davon. Sie ist zwar nicht reich; aber es reicht hin, daß sie sich jeden Kleiderwunsch erfüllen könnte.«
»Dann muß es ein Vermögen sein, wenn ich mir überlege, wie es in ihrem Kleiderschrank aussieht«, murmelte Kane.
»Glaubst du, Houston verlangt für sich mehr — wünscht sich Reichtümer, die nur du ihr geben könntest?« fuhr Opal fort. »Hast du den Eindruck, sie wäre habgierig?«
Kane setzte sich auf die Bank.
Opal legte ihm den Arm um die mächtigen Schultern. »Du vermißt sie, nicht wahr?«
»Ich kenne sie erst ein paar Monate; aber doch — ich
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