Herz aus Eis
Fentons auf Jacob Fenton übertragen wurden, der darüber nach Belieben verfügen konnte.
»Wenn Sie das unterschreiben wollen, werde ich es als Notar beglaubigen und bei Gericht als Urkunde hinterlegen. Ich habe eine Kopie bei mir, die Sie Fenton aushändigen können.«
Kane lächelte Reed zu. »Vielen Dank«, sagte er, während er den Füllfederhalter nahm, den der Anwalt ihm hinreichte. Er unterschrieb das Original und steckte die Kopie in die Tasche. »Ich glaube, ich sollte ihm dieses Papier sofort überbringen. Vielleicht entschädigt ihn das für das Grundstück, das er für die Krankenstation gestiftet hat, und ich könnte ihm auch noch nahelegen, daß er die Bergleute in den Erste-Hilfe-Maßnahmen zur Rettung von Verunglückten im Untertagebau ausbilden lassen sollte.«
Reed gab Kanes Grinsen zurück. »Ich glaube fast, Jacob Fenton wäre finanziell besser gestellt, wenn Sie ihm nicht das Recht auf sein Vermögen übertragen hätten.«
Als Kane wieder den Hügel hinunterritt, um Fenton die Übertragungsurkunde zu bringen, blickte er sich im Lager um und dachte an die Schrecken der letzten Tage. Es gab immer noch eine Menge zu tun, und er hatte auch schon ein paar Ideen, wie man solche Schlagwetterexplosionen in Zukunft verhindern und bei einem Grubenunglück die Rettungsmaßnahmen beschleunigen und verbessern konnte. Er würde seine Ideen Edan vortragen und ihn um seine Meinung dazu bitten. Und Leander hatte dazu gewiß Vortreffliches beizusteuern. Selbst Fenton konnte dabei nützlich sein. Wenn Kane an Jacobs bevorstehenden Tod dachte, empfand er jetzt sogar Trauer. Schließlich war er in dessen Nähe aufgewachsen und hatte ihn bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr fast täglich gesehen. Und nun würde Zachary der Besitzer der Minen werden — nach Marc natürlich. Irgendwie schien keiner an Marc zu denken, wenn von dem Besitz und Erben die Rede war.
Als er die Auffahrt zu der alten Fenton-Villa hinaufritt, sah er die Haustür weit offen stehen. Der Pfosten war repariert und die Glasfüllung, die er tags zuvor eingetreten hatte, ersetzt worden; doch nun stand sie weit offen.
Er stieg vom Pferd, rief laut, als er das Haus betrat, bekam jedoch keine Antwort. Jacobs Büro ging nach hinten hinaus, und Kane erinnerte sich, daß er zum letzten Mal in diesem Büro gewesen war, als Jacob ihn feuerte, weil er Pam heiraten wollte. Als er die Übertragungsurkunde auf den Schreibtisch legte, überlegte er, wie sein Leben wohl verlaufen würde, wenn er Pam geheiratet und keine Chance gehabt hätte, sich selbst ein Vermögen zu schaffen. Auf jeden Fall wäre er dann jetzt nicht mit Houston verheiratet.
Bei diesem Gedanken fragte er sich wieder einmal, ob Houston ihn auch geheiratet hätte, wenn er nicht in vielfacher Millionär gewesen wäre.
Er rief wieder laut nach Fenton, und als er keine Antwort bekam, verließ er diesmal das Haus durch die Küche — für ihn ein sehr vertrauter Weg. Auch in der Küche war niemand, und die Hintertür stand ebenfalls offen. Als er sich dem Hofausgang näherte, sah er die schmale Dienstbotentreppe, die zum Oberstock hinaufführte.
Als er im Stall dieses Hauses aufwuchs, hatte er immer den Oberstock der Villa besichtigen wollen, hatte zuweilen sogar davon geträumt, eines Tages dieses Haus selbst zu besitzen.
Er lachte bei dem Gedanken, daß er sein Haus nur gebaut hatte aus Wut darüber, daß er den Oberstock der Villa Fenton nie hatte betreten dürfen.
Er legte eine Hand auf das Treppengeländer, und seine Neugierde siegte über seinen gesunden Menschen verstand. Zwei Stufen auf einmal nehmend, eilte er wie ein Dieb, der sich nicht erwischen lassen wollte, die Treppe hinauf, ging den Korridor hinunter und blickte in die Schlafzimmer. Sie waren sehr gewöhnlich eingerichtet mit schweren geschnitzten, dunklen Möbeln und unschönen Gardinen und Tapeten. »Houston hat einen weitaus besseren Geschmack«, murmelte er und lachte dann über seinen Snobismus.
Er lächelte noch immer in sich hinein, als er zum Kopfende der Vordertreppe gelangte. Da erlosch sein Lächeln sofort.
Am Fuß der Treppe lag Jacob Fenton — in unnatürlicher Haltung, offenbar von einem tödlichen Schlaganfall überwältigt.
Kanes erste Reaktion war ein Bedauern, daß er nun doch zu spät gekommen war und Jacob nicht in dem Bewußtsein hatte sterben können, daß der Besitz, um den er sein Leben lang gekämpft hatte, ihm endlich auch rechtmäßig gehörte. Und dann mischte sich Trauer in dieses Bedauern.
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