Herz aus Eis
hatte, und begann, das Essen in sich hineinzuschaufeln.
»Du bezahlst ihnen nicht die Zeit, die sie brauchen, um einen Stollen zu verschalen, nicht wahr? Sie werden nach dem Gewicht der Kohle bezahlt, die sie fördern, richtig?«
Jacob nahm wieder Kane gegenüber am Tisch Platz und legte sich eine dicke Scheibe Roastbeef auf den Teller. »Ich gebe ihnen einen Vertrag als Subunternehmer, und es ist Sache jedes einzelnen, wie er seinen Vertrag zu erfüllen gedenkt. Weißt du, daß ich Leute dafür bezahle, die Helme der Bergleute zu überprüfen? Diese Idioten klappen im Stollen ihren Gesichtsschutz hoch, zünden sich eine Zigaretten an und sprengen damit das ganze Bergwerk in die Luft. Der Inspektor hat sich zu vergewissern, daß der Gesichtsschutz festgeschweißt ist, damit die Leute sich nicht gegenseitig umbringen.«
Kane, der den Mund voll hatte, gestikulierte mit seiner Gabel. »Auf der einen Seite behandelst du die Bergarbeiter wie unmündige Kinder und sperrst sie in ein Lager ein, und auf der anderen Seite sind sie für dich wieder vollverantwortliche Subunternehmer, die ihr Risiko selbst tragen müssen . . . Wie nennt man das, wenn du arbeiten mußt und für deine Arbeit nicht bezahlt wirst?«
»Arbeitsbeschaffungsmaßnahme«, sagte Jacob. »Ich tue mein Bestes, den Bergleuten die Arbeitsplätze zu erhalten. Ich würde gern meine Kohle von einem anderen Unternehmer kaufen und mich nur auf die Stahlerzeugung beschränken; aber ich könnte es nicht ertragen, so viele Leute auf die Straße zu werfen. Jedesmal, wenn so etwas wie dort passiert«, er deutete in die Richtung der Little-Pamela-Zeche, »nehme ich mir vor, meine Gruben zu schließen. Es gibt eine riesige Konkurrenz auf dem Kohlemarkt, die sofort bereit ist, meine Stahlwerke in Denver zu beliefern, und ich könnte alle siebzehn Zechen im Umkreis von Chandler schließen, ohne daß das Einfluß auf den Markt hätte. Aber weißt du, was aus dieser Stadt würde, wenn ich die Zechen schlösse? In zwei Jahren wäre Chandler eine Geisterstadt.«
»Wenn man dir zuhört, bist du also der Wohltäter dieser Stadt.«
»In gewisser Weise bin ich das auch«, sagte Jacob selbstgefällig.
»Ich würde denken, daß du auch deinen Aktionären etwas bezahlst, nicht wahr?«
»Nicht so viel, wie ich gerne möchte; aber auch da tue ich mein möglichstes.«
Kane wischte inzwischen mit einer Brotrinde seinen zweiten Teller ab. »Dann wird es höchste Zeit, daß du anfängst, mehr zu tun als nur dein möglichstes. Ich besitze zufällig auch etwas Geld, und es könnte mir einfallen, es dafür zu verwenden, ein paar Klagen gegen die Eigentümer von Fenton Coal and Steel bei Gericht einzureichen. Und ich könnte mir vorstellen, daß die gesamte Produktion — Stahlherstellung und Kohleförderung — eingestellt werden müßte, solange diese Klage bei Gericht verhandelt wird.«
»Aber das würde Chandler ruinieren! Du könntest doch nicht. . .«
»Ich habe irgendwie das Gefühl, daß die Eigentümer von Fenton Coal and Steel aus eigenem Interesse so etwas unter allen Umständen verhindern möchten.«
Jacob blickte Kane ein paar lange Sekunden an. »Also gut — was verlangst du von mir?«
»Wenn die Männer Inspektoren brauchen, um sie vor sich selbst zu schützen, möchte ich, daß diese Inspektoren eingestellt werden. Und ich möchte, daß die Kinder aus den Gruben verschwinden.«
»Aber gerade die Kinder können dank ihrer kleinen Statur an Stellen Vordringen, wo die Erwachsenen nicht hinkommen!« protestierte Jacob.
Kane warf ihm nur einen kühlen Blick zu und ging dann zum nächsten Punkt über, wobei er sich an alles zu erinnern versuchte, was Houston ihm von den Problemen der Bergarbeiter erzählt hatte. Jacob erhob gegen jeden dieser Punkte Widerspruch, angefangen bei den rollenden Bibliotheken — »das Lesen macht sie nur unzufrieden« — und den regelmäßigen Gottesdiensten — »und dafür Geistliche aller Konfessionen einstellen, die ich bezahlen soll? Wir würden einen Religionskrieg anzetteln, wenn wir sie alle zu dem gleichen Gottesdienst schickten« — bis hin zu den besseren Unterkünften, wozu Jacob bemerkte, daß gerade die Bergleute, die in den Hütten vegetieren, am gesündesten wohnten, weil durch die Ritzen ständig frische Luft in die Behausung käme.
Sie redeten und stritten den ganzen Nachmittag, wobei Jacob ununterbrochen Kanes Weinglas nachfüllte. Gegen vier Uhr nachmittags wurde Kanes Rede zunehmend verschwommener, und manchmal fiel
Weitere Kostenlose Bücher