Herz aus Eis
ist.«
»Aber dann wird der Anzug doch nicht mehr rechtzeitig fertig, Mr. Bagly.«
»Selbst wenn Sie vor mir auf die Knie fielen, würde ich es nicht für Sie tun. Wir werden hier eine halbe Stunde warten. Wenn Mr. Taggert bis dahin nicht erschienen ist, gehen wir wieder.«
Houston war jetzt sogar ein wenig froh, daß sich im Großen Salon, wo die Herren warteten, noch keine Stühle befanden. Nur Mut, sagte sie zu sich, und stieg wieder in den ersten Stock hinauf.
Der erste Stock war so herrlich wie das Erdgeschoß, die Wände weiß getäfelt, und direkt vor ihr öffnete sich ein großer Raum mit einem grün gekachelten Bereich dahinter. »Ein Vogelhaus«, flüsterte sie entzückt.
Mit einem Seufzer begann sie nun, an ihre Arbeit zu gehen. Hinter einer dieser zahlreichen Türen mußte sich Kane befinden.
Sie öffnete eine Tür und sah im trüben Licht einen blonden Schopf inmitten zerknüllter Decken. Leise machte sie die Tür wieder zu. Edan wollte sie nicht wecken.
Sie suchte in vier Räumen, ehe sie an der Rückseite des Hauses Kanes Schlafzimmer entdeckte. An billigem Blumendraht, der im Stuck an der Decke befestigt war, hingen zwei primitiv zurechtgeschnittene Stoffbahnen, die verhinderten, daß die Morgensonne ins Zimmer Vordringen konnte. Die Einrichtung bestand aus einer eichenen Bettstatt, einem mit Papieren übersäten kleinen Tisch aus dem gleichen Material, einem mit Wasser gefüllten Tonkrug und einer aus drei Teilen bestehenden, mit knallrotem Plüsch gepolsterten Sitzgarnitur, die mit gelben Fransen und Quasten verziert war.
Houston warf einen Blick gegen die Decke. »Vergib ihm, Madame de Pompadour«, flüsterte sie.
Dann zog sie entschlossen die Lappen vom Fenster zurück und knotete sie zusammen, damit sie nicht wieder das Zimmer verdunkelten.
»Guten Morgen, Mr. Taggert«, sagte sie laut neben seinem Bett.
Kane blinzelte, drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter.
Er war von den Hüften aufwärts nackt, vermutlich auch unterhalb der Hüften, dachte Houston, die seinen Torso oberhalb der Decken betrachtete. Sie hatte nur selten Gelegenheit gehabt, die nackte Brust eines Mannes zu sehen, und Kane war gebaut wie ein Preisboxer — breit, muskulös, der Brustkorb dicht behaart. Seine Haut hatte ein dunkles, warmes Aussehen.
Eben noch stand sie neben dem Bett, und im nächsten Moment lag sie quer über ihm, während seine breite Hand ihren Oberschenkel umklammerte.
»Konntest wohl nicht bis zur Hochzeit auf mich warten, wie?« sagte Kane und begann, hungrig ihren Hals und ihre Kehle zu küssen, während seine Hände zielstrebig über ihren Körper glitten. »Vor dem Aufstehen habe ich schon immer gern eine Frau vernascht.«
Houston wehrte sich ein paar Sekunden, bis sie einsah. daß sie damit nichts erreichte, und sich nach einem Gegenstand umschaute, mit dem sie seiner Attacke Einhalt gebieten konnte. Ihre tastende Hand kam mit dem Henkel des Wasserkrugs in Berührung. Sie nahm ihn rasch vom Tisch und schlug ihn damit mit voller Wucht auf den Kopf.
Das dünnwandige Geschirr zerbrach, und eine mit Tonsplittern vermischte Wasserflut ergoß sich über das Bett, während Houston sich an das Fußende der Bettstatt flüchtete.
»Was, zum Teufel. . .« begann Kane, setzte sich auf und hielt sich den Kopf. »Du hättest mich umbringen können.«
»Sehr unwahrscheinlich«, bemerkte Houston. »Ich hatte zu Recht vermutet, daß die Qualität Ihrer Toilettengegenstände Ihrem Möbelgeschmack entspricht.«
»Hör mal, du kleines Biest, ich werde . . .«
»Nein, Mr. Taggert, Sie werden mir jetzt zuhören. Wenn ich Ihre Frau werden soll, haben Sie mir auch den Respekt zu erweisen, der einer Frau in dieser Position zukommt. Ich möchte von Ihnen nicht wie eine Dirne behandelt werden, die Sie sich ... Sie sich für eine Nacht erkauft haben.« Ihr Gesicht lief puterrot an, aber sie fuhr tapfer mit ihrer Predigt fort: »Ich bin nicht mit der Absicht, die Sie mir unterstellten, in Ihr Schlafzimmer gekommen, sondern wurde gewissermaßen von Ihrem Schneider dazu erpreßt, Sie zu wecken, weil er unbedingt ihre Maße braucht für einen Anzug. Der Mann wartet bereits unten. Überdies werden jeden Moment Leute ins Haus kommen, die die Möbel aufstellen sollen, und eine Köchin ist mit einem Fuhrwerk voller Lebensmittel auf dem Weg hierher. Spätestens in einer Stunde wird sich auch der Barbier hier melden, um einen Teil der Haare, mit denen Sie so reichlich gesegnet sind, aus Ihrem Gesicht zu
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