Herz aus Eis
einziges Mal die Stimme erhoben.
Sie atmete tief die kühle Abendluft ein. Wenn sie nur daran dachte, wieviel Arbeit jetzt vor ihr lag! Die Vorbereitungen für die Hochzeit, die Überraschungen, die sie erwarteten, wenn sie die Speicher besichtigte und die Möbel dort aufstellte, wo sie sie hinhaben wollte. Und was für eine Herausforderung für ihre Talente, Mr. Taggert in so etwas wie einen Gentleman verwandeln zu wollen!
Als sie ihre Wohnung erreichte, schnappte sie fast über vor Aufregung. Sie würde einen Mann heiraten, der sie brauchte.
Sie überließ das Pferd und die Kutsche dem Stallburschen, drückte ihre Schultern durch und bereitete sich auf den Sturm vor, der sie vermutlich im Haus erwartete.
Kapitel 7
Zu ihrer großen Überraschung — und Erleichterung — war es still im Haus, als sie es durch den Kücheneingang betrat. Nur die Köchin und Susan waren noch mit dem Abwaschen des Geschirrs beschäftigt.
»Sind denn alle schon zu Bett gegangen?« fragte Houston, die Hand auf den großen Eichentisch gestützt, der fast den ganzen Raum ausfüllte.
»Ja, Miss Blair-Houston«, antwortete Susan, die gerade die Kaffeemühle reinigte. »Mehr oder weniger.«
»Houston«, sagte Houston automatisch, die letzte Bemerkung des Hausmädchens überhörend. »Würden Sie ein paar Sachen auf ein Tablett stellen und diese in mein Zimmer hinaufbringen, Susan?«
Während sie durch das Haus zur Treppe ging, bemerkte sie ein paar große Sträuße frischer Blumen, die jedoch nicht aus dem Garten ihrer Mutter stammen konnten. Sie sah, daß ein Kärtchen daran hing:
Für meine zukünftige Frau Blair, von Leander.
Leander hatte ihr in den vielen Monaten ihrer Verlobungszeit kein einziges Mal Blumen geschickt.
Mit hoch erhobenem Kopf stieg sie die Treppe hinauf. Houstons Schlafzimmer hatte kremfarbene Tapeten mit weißen Mustern; an den Fenstern hingen handgearbeitete Battenberg-Spitzenvorhänge; Filetarbeiten aus der gleichen Werkstatt zierten die niedrigen Tische und die Rücken ihrer beiden Sessel; das Innenfutter ihres Betthimmels bestand aus gerüschter lohfarbener Seide, und ihre Steppdecke aus weißem Atlas. Houston hatte sich gerade ihr Kleid ausgezogen, als es klopfte und Susan mit dem Tablett hereinkam. Während Houston aß, gab sie Susan ihre Anweisungen:
»Ich weiß, es ist schon spät, aber du mußt Willie noch einmal in die Stadt schicken. Er soll Mr. Bagly, dem Schneider in der Lead Avenue, dieses Billett überbringen. Und falls Mr. Bagly schon schlafen sollte, muß er eben so lange klingeln, bis Mr. Bagly an die Tür kommt und das Billett persönlich in Empfang nimmt. Er soll sich nämlich morgen früh um acht Uhr im Haus von Mr. Taggert einfinden.«
»Im Haus von Mr. Taggert?« wiederholte Susan, während sie Houstons Kleid in den Schrank hängte. »Dann ist es also wahr, Miss, daß Sie ihn heiraten werden?«
Houston saß an ihrem kleinen Schreibtisch aus Mahagoni und drehte sich zu Susan um. »Würdest du gern für mich arbeiten? Und im Haus von Mr. Taggert wohnen?«
»Ich weiß nicht recht, Miss. Ist Mr. Taggert wirklich so schlecht, wie die Leute von ihm reden?«
Houston überlegte kurz. Sie wußte aus Erfahrung, daß Dienstboten oft besser über eine Person Bescheid wußten als ihre Herrschaft, die mit dieser Person gesellschaftlichen Umgang hatte. Und obwohl Kane allein in seinem Haus lebte, kam er doch mit den Leuten in Berührung, die Botengänge oder sonstige Aufträge für ihn erledigen mußten.
»Was hast du über ihn gehört?«
»Daß er ein aufbrausendes Temperament hat, die Leute anschreit und man es ihm selten rechtmachen kann.«
»Ich fürchte, daß das vermutlich alles zutrifft«, sagte Houston seufzend und beugte sich wieder über ihren Schreibtisch. »Aber wenigstens verprügelt er keine Frauen und versucht nicht, andere Leute zu betrügen.«
»Wenn Sie keine Angst haben, mit ihm zu leben, Miss Houston, werde ich es auch riskieren. Ich glaube nicht, daß man es in diesem Haus noch aushalten kann, wenn Sie und Ihre Schwester nicht mehr hier wohnen.«
»Ich fürchte, da könntest du ebenfalls recht haben«, sagte Houston geistesabwesend, während sie sich eine Notiz machte, daß sie den Barbier, Mr. Applegate, in der Coal Avenue anrufen und ihn bitten mußte, sich um neun Uhr im Hause von Mr. Taggert zu melden. Sie überlegte, wieviel Zeit man sparen könne, wenn jeder in der Stadt sich ein Telefon zulegte.«
»Susan, hast du nicht eine Menge Brüder?«
»Jawohl,
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