Herz aus Eis
Körpergröße dazu herausgefordert.«
»Oder vielleicht hoffte ich auch, daß mir der Coup mißlingt. Kane streckte mich mit einem Kinnhaken nieder; aber statt mich dann zum Polizeirevier zu bringen, nahm er mich mit nach Hause und gab mir etwas zu essen. Ich war siebzehn, er zweiundzwanzig und schon auf dem besten Weg, ein Millionär zu werden.«
»Und Sie sind von diesem Tag an bei ihm geblieben.«
»Und habe mir meinen Lebensunterhalt selbst verdient«, setzte Edan hinzu. »Ich mußte den ganzen Tag für ihn arbeiten, und abends schickte er mich zur Handelsschule, um mich als Buchhalter ausbilden zu lassen. Dieser Mann hält nichts vom Schlafen. Wir haben bis heute morgen um vier gearbeitet, deshalb lag er noch im Bett, als Sie heute morgen ins Haus kamen.«
Edan hob plötzlich den Kopf und deutete auf die Glaswand des Gewächshauses. »Ah«, sagte er grinsend, »mir scheint, der Barbier hat seine Visitenkarte abgegeben.«
Neugierig blickte Houston zu der Seite des Gewächshauses hinüber, auf die Edan deutete. Da kam ein großer Mann in Kanes Kleidern den Gartenweg herunter; aber glattrasiert, ohne Vollbart und schulterlange Haare.
Houston blickte Edan mit großen, verwunderten Augen an, und Edan lachte leise, als Kane ins Gewächshaus trat.
»Houston!« brüllte Kane, »bist du hier irgendwo?«
Sie kam hinter dem mächtigen Stamm eines Hottentottenbrot-Strauches hervor, um ihn zu betrachten.
»Nicht schlecht, wie?« sagte er vergnügt und rieb sich die glatten Wangen. »Ich habe schon so lange mein Gesicht nicht mehr gesehen, daß ich vergessen habe, wie gut ich eigentlich aussehe.«
Houston mußte ebenfalls lachen; denn er hatte recht. Mit seinem breiten Kinn, seinem feinen Mund und seinen ausdrucksvollen Augen unter den dunklen Brauen sah er ungewöhnlich gut aus.
»Wenn du mit der Besichtigung von Edans Pflanzen fertig bist, solltest du lieber wieder ins Haus hinübergehen. Da ist eine Lady, die mich nicht in ihre Töpfe gucken läßt. Und ich sterbe schon fast vor Hunger.«
Draußen vor dem Gewächshaus faßte er sie am Arm. »Ich muß dir etwas sagen«, murmelte er und blickte erst auf seine Stiefelkappe und dann auf einen Ast links hinter ihrem Kopf. »Es war nicht meine Absicht, dich heute morgen zu überfallen. Ich hatte nur fest geschlafen, und als ich aufwache, steht plötzlich ein hübsches Mädchen neben meinem Bett. Ich wollte dich nicht kränken. Es ist nur, daß ich nicht an Ladies gewöhnt bin.« Er kratzte sich am Kopf und grinste sie an. »Aber ich begreife ziemlich rasch, glaube ich.«
»Setz dich dorthin«, sagte sie und deutete auf eine Bank unter einem Baum. »Laß mich mal deinen Kopf untersuchen.«
Er saß ganz still da, während sie vorsichtig die Beule unter den Haaren betastete. »Tut das sehr weh?«
»Im Augenblick nicht«, sagte er und griff dann nach ihren Händen. »Willst du mich jetzt immer noch heiraten?«
Er sieht viel besser aus als Leander, dachte sie plötzlich, und wenn er sie so ansah wie jetzt, hatte sie ein ganz komisches Gefühl in den Knien. »Ja, ich will dich immer noch heiraten.«
»Gut!« rief er und sprang von der Bank auf. »Jetzt wird es aber Zeit, daß wir etwas zu essen bekommen. Ich und Edan haben eine Menge zu tun, und drüben wartete ein Mann auf mich. Und du paßt auf, daß diese Idioten mit meinen Möbeln ordentlicher umgehen.« Damit ging er den Weg zum Haus zurück.
Houston mußte rennen, um mit ihm Schritt halten zu können. Er wechselte ja so rasch die Laune wie ein Chamäleon die Farbe, dachte sie, während sie ihren Hut festhielt und neben ihm den Weg hinunterhastete.
Bis zum Nachmittag hatte sie drei Zimmer mit Teppichen ausgelegt und Zwei der Speicherräume von Möbeln befreit. Diese standen nun wahllos im Erdgeschoß herum und warteten darauf, daß Houston einen geeigneten Platz für sie suchte. Kane und Edan hatten sich mit ihrem Besucher im Büro eingeschlossen. Hin und wieder hörte sie seine Stimme trotz des Gepolters, das die Möbelträger verursachten. Einmal sah er kurz in die Bibliothek hinein und sagte: »Brechen diese Sessel nicht durch, wenn man sich daraufsetzt?«
»Warum sollten sie, wenn sie schon über zweihundert Jahre gehalten haben?« gab sie zurück. Darauf zog sich Kane mit einem Schnauben wieder in sein Büro zurück.
Um fünf Uhr klopfte sie an die Bürotür. Edan öffnete, und Houston blieb unter der Tür stehen, blickte auf die von dicken, blauen Tabakschwaden verhüllte Gestalt von Kane am
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