Herz aus Eis
bist?«
»War Lee am Boden zerstört, als du es ihm sagtest?«
»Hast du dich heimlich aus dem Haus geschlichen, um dich mit Mr. Taggert zu treffen?«
»Houston, du mußt uns alles erzählen!«
Endlich gelang es ihr, zu Kane durchzukommen. Sie hakte sich bei ihm ein.
»Du bist verdammt lange fortgewesen«, sagte er leise. »Weißt du, was diese Frauen wissen wollten?« fragte er mit schockierter Stimme.
»Ich kann es mir denken«, sagte sie lachend. »Hast du etwas zu essen für mich besorgt?«
»Nur ein paar von diesen kleinen belegten Brötchen. Man kann eine ganze Platte davon verputzen und ist genauso hungrig wie zuvor. Müssen wir noch länger hierbleiben? Wer war der Mann, mit dem du geredet hast?«
»Reverend Thomas.«
»Oh, ja. Du gibst ja jeden Mittwoch in seiner Pfarrei Unterricht.« Lächelnd berührte er ihre Nase mit der Fingerspitze. »Schau mich nicht so verwundert an. Ich weiß eine Menge über dich. Warum setzt du dich nicht irgendwo hin, und ich bringe dir einen Teller mit Salaten und so? Wie ich sehe, machen das die anderen Männer auch für ihre Frauen.«
Lee hätte genau gewußt, was sich gehörte, dachte Houston. Und wenn sie mit ihm die Party besucht hätte, wären sie um Viertel nach drei wieder gegangen, weil er donnerstags immer . . .
»Du wünschst dir wohl, du wärest mit einem Mann zur Party gegangen, der weiß, was sich schickt?« fragte Kane neben ihr, einen breiten Schatten über sie werfend und einen mit Speisen bis zum Rand gefüllten Teller in der Hand.
»Wieso? Das tue ich nicht«, antwortete sie, sagte aber nichts mehr, weil sich Salate und Soßen über ihren Schoß ergossen.
Kane rührte sich nicht; aber sein Gesicht verriet, daß seine schlimmsten Befürchtungen eingetreten waren.
Als Houston hörte, wie eine Frau das Lachen zu unterdrücken versuchte, und merkte, daß die ganze Party zum Stillstand gekommen war, reagierte sie blitzschnell.
Sie schnellte in die Höhe, daß die Salate von ihrem Kleid auf den Boden rutschten, und flüsterte: »Heb mich hoch.« Doch er starrte sie nur mit dunklen, verstörten Augen an. »Nimm mich auf deine Arme, trag mich zur Kutsche und fahr mit mir davon«, befahl sie ihm mit leiser Stimme.
Kane war nicht gewohnt, Befehlen blindlings zu gehorchen. Aber diesmal tat er es. Er hob sie auf seine Arme, als wäre sie eine Feder.
Während er sie durch den Garten zur Kutsche trug, schmiegte Houston sich an ihn. Donnerstag nachmittags nahm Leander immer Fechtunterricht; aber Mr. Taggert verbrachte seine Donnerstage damit, seine zukünftige Frau auf den Armen zu tragen.
Kane sagte kein Wort, bis sie beide in der Kutsche saßen und zur Villa Chandler fuhren. »Warum?« fragte er dann. »Was hattest du davon, daß ich dich zur Kutsche trug?«
»Von den anwesenden Männern hatten nur wenige einen so starken Rücken, daß sie ihre Frauen tragen könnten. Und ich glaube, daß jede Frau sich gern Soße über ihr Kleid schütten läßt, wenn sie dafür einen Mann bekommt, der sie durch den Garten zu ihrer Kutsche trägt.«
»Du wiegst doch kaum etwas«, sagte er.
Lächelnd beugte sie sich zu ihm und küßte ihn auf die Wange. »Für dich wiege ich kaum etwas«, sagte sie leise.
Er hielt die Kutsche an und sagte staunend: »Du bist eine echte Lady, nicht wahr, Miss Chandler? Eine wahrhaftige Lady.«
»Hoffentlich«, murmelte sie und dachte, es wäre möglich, daß sie alles sein könnte, was Kane Taggert in ihr sah oder von ihr verlangte.
Kapitel 9
Houston stürmte in das Schlafzimmer ihrer Mutter, wo Opal am Fenster saß und an einer Bluse stickte.
»Mutter, du mußt mir helfen«, sagte Houston.
»Dein Kleid«, sagte Opal, sich aus ihrem Sessel erhebend. »Du meine Güte. Glaubst du, wir bekommen es wieder sauber?«
»Ich weiß es nicht. Mutter, er ist unten und wartet auf mich, und du mußt ihn unterhalten, während ich mich umziehe. Wenn du nicht mit ihm sprichst, wird er wieder wegfahren, fürchte ich.«
Opal wich einen Schritt vor ihrer Tochter zurück. »Du meinst doch wohl nicht deinen Mr. Taggert! Er wartete unten in der Halle?«
Houston nahm die beiden Hände ihrer Mutter. »Er ist sehr aufgeregt. Er hat mir einen Teller voller Salate in den Schoß gekippt, und, oh, Mutter, alle begannen über ihn zu lachen wegen seines Mißgeschicks. Du hättest sein Gesicht sehen sollen! Er fühlte sich schrecklich gedemütigt. Bitte, geh zu ihm hinunter und rede ein paar Minuten mit ihm. Verhindere, daß er wieder wegfährt.«
Opal
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