Herz aus Eis
ihre Kinderstube nicht zu vergessen; rannten aber förmlich zur Kutsche, als sie vor dem Haus hielt, und blieben dann alle mit offenem Mund stehen. Der Bergarbeiter mit dem struppigen Bart war durch einen Gentleman ersetzt worden.
Kane schien die Reaktion der Leute gar nicht zu bemerken; doch Houston nahm sie um so deutlicher wahr. Und stolz legte sie die Hände auf seine breiten Schultern, als er ihr aus der Kutsche half. Sie schob den Arm unter den seinen, und er geleitete sie zu den am Rand des Gartens versammelten Gästen.
»Darf ich dir meinen Verlobten, Mr. Kane Taggert, vorstellen?« begann sie.
Zwanzig Minuten später, nachdem sie ihn allen Gästen vorgestellt hatte, spürte sie, wie er sich zu entkrampfen begann.
»Es war nicht so schlimm, wie du befürchtet hast, nicht wahr?«
»Nee«, sagte er ein bißchen zu salopp. »Möchtest du was zu essen haben?«
»Ich hätte gern ein Glas Punsch. Würdest du mich einen Moment entschuldigen? Ich muß mit jemandem reden.«
Sie beobachtete ihn einen Moment, als er auf die Büfetts zuging, und bemerkte, daß viele Frauen stehenblieben und ihm nachsahen. Meredith Lechner trat zu ihm, um mit ihm ein paar Worte zu wechseln, und sah erst lächelnd zu Houston hinüber, als wollte sie um Erlaubnis bitten.
Mein aus einem Frosch in einen Prinzen verwandelter Bräutigam, dachte Houston. Und für die Verwandlung hatte eine Beule genügt. Sie hüstelte höflich, um ein Kichern zu unterdrücken.
Während Kane am Büfett beschäftigt war, ging sie zu Reverend Thomas, der für sich am Rand der versammelten Gäste stand.
»Er ist nicht wiederzuerkennen«, sagte Reverend Thomas und deutete in die Richtung, wo Kane, nun von drei Frauen umringt, am Büfett stand. »Du hast ihn gründlich verwandelt.«
»Äußerlich vielleicht«, sagte sie und senkte die Stimme. »Ich wollte mit Ihnen sprechen. Als ich in der letzten Woche das Minenlager besuchte, sagte Jean Taggert, sie wisse über mich Bescheid. Wieviel weiß sie nun wirklich?«
»Alles«, antwortete Reverend Thomas.
»Aber wieso . . .?« begann Houston.
»Ich sagte es ihr. Ich mußte es tun. Ich brauchte einen Verbündeten, einen echten Freund innerhalb des Lagers.«
»Aber was passiert, wenn ich gefaßt werde? Jean könnte in eine noch viel schwierigere Lage geraten, wenn sie weiß, wer ich bin. Es ist schon so schlimm genug.«
»Houston«, sagte der Pfarrer, den Blick fest auf ihr
Gesicht gerichtet, »du kannst nicht die ganze Verantwortung allein tragen. Jean ist schon vor Monaten zu mir gekommen und wollte die Wahrheit wissen. Ich war froh, sie mit ihr teilen zu können.«
Houston schwieg einen Moment still, während sie beobachtete, wie Kane über etwas lachte und eine der drei Frauen einen Schritt näher an ihn heranrückte. Ich bin nicht die einzige, die er bezaubert, dachte sie.
»Wissen Sie, ob Kane und Jean miteinander verwandt sind?« fragte sie.
»Kusine und Vetter ersten Grades.« Er lächelte über ihren erstaunten Blick. »Sobald ich von deiner Verlobung erfuhr, ging ich zu Jean. Oh, die Wachen wollten mich erst nicht ins Lager lassen; aber mein Boß ist höher gestellt als der ihre. Weder Jean noch ein anderes Mitglied ihrer Familie haben Kane bisher persönlich kennengelernt. Es gibt da ein Geheimnis, seine Geburt betreffend. Jean vermutet, seine Mutter sei eine . . . Lady für eine Nacht gewesen, und Kanes Vater soll seine Zweifel gehabt haben, ob das Kind auch von ihm ist. Das würde erklären, warum Kane in Fentons Haus beschäftigt und nicht von den Taggerts in der Minenstadt aufgezogen wurde.«
»Wissen Sie, was aus seinen Eltern geworden ist?«
»Jean war ziemlich sicher, daß sie beide schon lange tot sind. Houston«, der Pfarrer legte ihr die Hand auf den Arm. »Bist du sicher, daß du diesen Mann heiraten willst? Ich weiß, wie sehr Leander dich gekränkt haben muß . . .«
Houston wollte sich nicht zweimal so eine Predigt wie heute morgen anhören, auch wenn sie noch so gut gemeint war. »Ich bin sicher«, sagte sie fest. »Und wollen Sie mich bitte jetzt entschuldigen? Ich muß mich um meinen Verlobten kümmern, ehe jemand ihn mir stiehlt.«
»Natürlich — nur, Houston, wenn du mit mir reden möchtest, ich bin den ganzen Nachmittag hier.«
Als Houston sich auf den Weg zu Kane machte, wurde sie immer wieder angehalten.
»Er sieht so nett aus, Houston. Du hast ein Wunder bei ihm bewirkt.«
»Hast du dich wirklich schon in ihn verliebt, als du noch mit Leander verlobt gewesen
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