Herz aus Eis
dicht nebeneinander auf dem Roßhaarpolster einer Couch und blickten durch die Linsen einer Stereobrille.
»Ich habe sie nie selbst sehen können«, sagte Opal gerade; »aber sie sollen sehr eindrucksvoll sein.«
»Ich habe jahrelang in New York gelebt; aber nie etwas davon gehört«, sagte Kane. »Wie heißen diese Fälle gleich wieder?«
»Niagarafälle.«
Kane legte den Stereobetrachter auf den Tisch und blickte Opal an. »Sie würden sie gern besichtigen wollen, nicht wahr?«
»Nun, ja, eigentlich schon. Tatsächlich war es schon immer mein Traum gewesen, einmal zu reisen. Ich würde mir am liebsten einen eigenen Eisenbahnwaggon mieten und kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten fahren.«
Kane nahm Opals Hand. »Ich werde Ihnen diesen Traum erfüllen, Mrs. Chandler. Was für eine Farbe soll der Waggon haben? Innen, meine ich? Würde Ihnen Rot gefallen?«
»Ich könnte doch unmöglich so etwas . . .« begann Opal.
Kane beugte sich noch näher zu ihr. »Ich habe eine echte Schwäche für Ladies«, sagte er leise. »Und Sie, Mrs. Chandler, sind eine genauso unverfälschte Lady wie Ihre Tochter.«
Es war einen Moment still im Salon, und Susan, die Houston über die Schulter blickte, stellte vorübergehend ihre Tätigkeit auf Houstons Rücken ein.
»Rosa«, sagte Opal. »Ich hätte ihn am liebsten ganz in Rosa.«
»Sie sollen ihn haben. Hätten Sie noch einen Wunsch, den ich Ihnen erfüllen könnte?«
»Es wäre mir lieber, wenn Sie mich Opal nennen würden. Ich fürchte, mein Mann, Mr. Gates, hört es nicht gern, wenn man seine Frau mit dem Namen ihres ersten Gatten anspricht.«
Houston hielt gespannt den Atem an, wie Kane auf diese Verbesserung reagieren würde.
Kane hob Opals Hand, die er gerade hielt, an die Lippen und küßte sie herzhaft — gar nicht so, wie es sich für einen Gentleman gehörte. »Kein Wunder, daß Sie eine Lady als Tochter haben«, sagte er.
»Ich glaube, Ihre Mama wird ihn heiraten, wenn Sie ihn nicht nehmen, Miss«, sagte Susan.
»Pst! Knöpf lieber mein Kleid zu.«
»Schon erledigt«, sagte Susan, und Houston ging um die Tür herum und in den Salon hinein.
»Ich hoffe, ich habe Sie nicht zu lange warten lassen«, sagte sie mit süßer Stimme. »Haben Sie sich inzwischen gut unterhalten, Mr. Taggert?«
»Oh«, sagte Kane grinsend, »ich habe mich großartig unterhalten. Aber ich muß jetzt wieder gehen. Die Arbeit ruft.«
»Mr. Taggert«, sagte Houston, »könnten Sie mich bitte in die Stadt zu meiner Schneiderin fahren? Ich muß ihr ein paar Muster vorbeibringen.«
Ein Schatten wanderte über Kanes Gesicht; aber er willigte ein, als Houston zu ihm sagte, daß der Aufenthalt bei der Schneiderin höchstens eine Viertelstunde dauerte.
»Erwarte mich nicht vor abends zurück«, flüsterte sie, als sie ihre Mutter auf die Wange küßte und ihr Parasol aus dem Schirmständer nahm.
»Du bist in fähigen Händen, mein Liebes«, sagte Opal und betrachtete Kane mit einem liebevollen Lächeln.
Als sie beide wieder in Houstons Kutsche saßen, sah sie ihren Verlobten an: »War eure Unterhaltung tatsächlich so großartig?«
»Du hast eine gute Mutter«, antwortete er. »Und wo finde ich nun diese Schneiderin, zu der ich dich bringen sollt? Bist du sicher, daß es nur zehn Minuten dauert?«
»Eine Viertelstunde«, antwortete sie. »Mein . . . früheres Hochzeitskleid ist in Denver genäht worden; aber ich werde eine genaue Kopie davon hier in Chandler anfertigen lassen.«
»Kopie? Oh, klar, wir feiern ja eine Doppelhochzeit. Wann findet die Hochzeit eigentlich statt?«
»Am Montag, den Zwanzigsten. Ich hoffe sehr, daß du an diesem Tag nicht arbeiten mußt und zur Hochzeit erscheinen kannst.«
Er blickte sie von der Seite an und lächelte dann. »Ich werde am Hochzeitstag da sein, wenn du in der Hochzeitsnacht da sein wirst.« Er lachte, als sie errötete und das Gesicht abwendete.
Sie gab ihm eine Adresse in der Coal Avenue an, und sie hielten vor einem langgestreckten, zweistöckigen Gebäude mit kleinen Läden im Erdgeschoß und Büros in der Etage darüber.
Kane band das Pferd an und half Houston aus der Kutsche. »Ich glaube, ich werde mir die Wartezeit mit einem Drink verkürzen«, sagte er und deutete mit dem Kopf auf eine der vielen Kneipen, die es in der Stadt gab. »Hoffentlich ist das Leben als Ehemann etwas leichter als das eines Bräutigams.«
Dann drehte er sich um und ließ sie auf der staubigen Straße stehen. Es gab Zeiten, dachte Houston, wo sie
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