Herz aus Eis
und wollte sie auch nicht kennenlernen. Houston, die ihm nicht verraten durfte, daß sie Jean kannte, weil er sie dann sofort gefragt hätte, wie und woher, sagte, sie würde seine Verwandten einladen, ob er sie nun kannte oder nicht. Aus irgendeinem Grund wollte Kane sie nicht bei seiner Hochzeit dabei haben, und nachdem er sich ein paar Minuten mit ihr gestritten hatte, sagte er, sie kämen bestimmt in Bergwerksklamotten zu seiner Trauung.
Houston nannte ihn einen Snob. Sie hätte sich lieber die Zunge abgebissen als ihm zu sagen, daß sie bereits Kleider für seine Verwandten hatte anfertigen lassen — auf seine Kosten.
Ehe Kane etwas darauf erwidern konnte, kam Opal ins Zimmer, wünschte ihnen einen guten Abend und setzte sich mit ihrem Stickrahmen an den Tisch.
Kane trug Opal den Fall vor, die sagte: »Nun, dann wirst du ihnen wohl neue Kleider kaufen müssen, nicht wahr?«
Als Kane sich verabschiedete, kam Houston sich so vor, als habe sie einen schweren Sturm in einem Rettungsboot überstanden; doch Kane schien das Ganze nichts ausgemacht zu haben. Er küßte sie draußen in der Halle und sagte, sie würden sich ja morgen schon Wiedersehen.
»Ob es bei jeder Diskussion so stürmisch zugehen wird?« flüsterte Houston, während sie sich neben ihrer Mutter auf einen Sessel fallen ließ.
»Vermutlich ja«, sagte Opal heiter. »Warum nimmst du jetzt nicht ein langes heißes Bad?«
»Ich wollte, ich könnte eines nehmen, das drei Tage lang dauert«, murmelte Houston, während sie sich wieder von ihrem Sessel erhob.
Kane stand vor den hohen Fenstern in seinem Büro, eine Zigarre zwischen die Zähne geklemmt.
»Willst du heute arbeiten oder in den Tag hineinträumen?« fragte Edan hinter ihm.
Kane drehte sich nicht um. »Es sind alles nur Kinder«, sagte er.
»Wer?«
»Houston und ihre Freunde und Freundinnen. Sie mußten nie erwachsen werden, sich nie überlegen, wo sie am nächsten Tag ihr Essen hernehmen sollen. Houston glaubt, das Essen kommt aus der Küche, die Kleider vom Schneider und das Geld von der Bank.«
»Ich bin nicht so überzeugt, daß du recht hast. Houston scheint mir eine sehr vernünftige Frau zu sein, und ihre Erfahrung mit Westfield hat wohl auch dafür gesorgt, daß sie erwachsener wurde. Von einem Mann enttäuscht zu werden — das trifft eine Frau sehr.«
Kane drehte sich zu seinem Freund um. »Sie hat sich ganz gut darüber hinweggetröstet«, sagte er mit einer Handbewegung, die sein ganzes Haus umschloß.
»Ich bin mir gar nicht so sicher, daß sie es auf dein Geld abgesehen hat«, sage Edan nachdenklich.
Kane schnaubte. »Zweifellos nimmt sie mich, weil ich so elegant aus einer Teetasse trinken kann. Ich möchte, daß du sie beobachtest.«
»Du meinst, ich soll ihr nachspionieren?«
»Sie ist mit einem Mann verlobt, der Geld hat. Ich möchte nicht, daß sie entführt wird.«
Edan zog eine Braue in die Höhe. »Ist es das? Oder hast du Angst, sie könnte sich noch einmal mit Fenton treffen?«
»Sie fährt jeden Mittwoch zu dieser Kirche und bleibt fast den ganzen Tag dort. Ich möchte wissen, was sie dort treibt.«
»Also ist es der gutaussehende Reverend Thomas, der dir Kopfschmerzen macht.«
»Ich mache mir doch deswegen keine Kopfschmerzen!« brüllte Kane. »Du sollst sie nur beobachten — wie ich es dir eben gesagt habe.«
Mit einem verdrießlichen Blick auf seinen Freund stand Edan hinter dem Schreibtisch auf. »Ich frage mich, ob Houston überhaupt weiß, worauf sie sich da eingelassen hat.«
Kane drehte sich wieder dem Fenster zu. »Eine Frau läßt sich auf eine Menge Dinge ein, wenn sie ihre Hände auf Millionen legen kann.«
Edan reagierte erst auf diese Bemerkung, nachdem er das Büro verlassen hatte.
Houston, die wieder die gepolsterten, warmen Kleider von Sadie trug, lenkte ihr Gespann aus vier Pferden mühelos über die staubige, ausgefahrene Straße zur Little Pamela Mine. Sie hatte ihr Vorhaben erst mit Reverend Thomas besprochen, und er hatte gemeint, sie könne ruhig mit Jean über ihre bevorstehende Hochzeit reden. Houston konnte sich noch immer nicht recht an den Gedanken gewöhnen, daß Jean das Geheimnis von Sadies Identität kannte. Aber Reverend Thomas hatte ihr abermals versichert, daß Jean schon seit vielen Monaten zu dem Kreis der Eingeweihten gehörte.
Jetzt, wo Houston das Bergwerk schon fast erreicht hatte, spürte sie einen fast unwiderstehlichen Drang, sich mit Jean gründlich auszusprechen. Jean wirkte immer so ruhig und
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