Herz aus Eis
morgen die Schneiderin aufsuchen? Sie braucht jede Minute, damit sie das Kleid bis zur Hochzeit fertigstellen kann. Hier ist ihre Adresse.«
Jean nahm die Visitenkarte entgegen. »Auf ein neues Kleid freue ich mich immer. Und ich werde mein möglichstes tun, Onkel Rafe und Ian zu überreden, daß sie auch mitkommen. Aber versprechen kann ich nichts.«
»Das kann ich nur zu gut verstehen.« Einem Impuls folgend, umarmte sie Jean und drückte sie an sich. »Ich freue mich auf unser baldiges Wiedersehen.«
Auf dem Weg zurück in die Stadt dachte Houston über ihr Gespräch mit Jean nach. Sie konnte sich wirklich alles nur dadurch erklären, daß sie Kane liebte. Und sie lachte laut, als sie davon überzeugt war. Sie war so viele Jahre mit Lee verlobt gewesen und hatte ihn nie wirklich geliebt. Das wußte sie jetzt.
Natürlich konnte sie das niemandem sagen. Sie würde sonst leicht in den Verdacht geraten, eine Frau zu sein, die ihr Herz sehr rasch verschenkt. Aber das stimmte nicht. Davon war sie überzeugt. Kane Taggert war der Mann, den sie liebte und immer lieben würde.
Sie ließ die Zügel auf den Rücken der Pferde klatschen, damit sie schneller liefen. Sie mußte sich noch waschen und umziehen. Und dann. . . ein geheimnisvolles, leichtes Lächeln spielte um ihre Lippen, als sie an ihre Pläne für Freitagabend dachte. Sie hatte Leander gebeten, Kane und Edan an diesem Abend in Lees Klub einzuladen, und hatte Kane gefragt, ob er ihr das Haus für ein Abschiedsessen mit ihren Freundinnen überlassen würde. Nur eine stille kleine Feier — wie sie Ellie veranstaltete, ehe sie in den Stand der Ehe trat.
Wenn Houston jetzt nur noch diesen starken Mann überreden konnte, den sie auf dem Plakat in der Coal Avenue gesehen hatte, ihr den Wunsch zu erfüllen, am Freitag . . .
Houston war so vertieft in ihre Pläne, daß sie nicht so gründlich wie sonst auf ihre Sicherheit bedacht war. Hinter ihr, durch Büsche und Bäume ihrer Sicht entzogen, folgte ein Reiter ihrer Fährte.
Edan verfolgte Houston mit ernstem Gesicht bis zur Stadtgrenze.
Kapitel 12
Jetzt, wo ihr nur noch wenige Tage bis zur Hochzeit blieben, fand Houston, daß ihr die Zeit nur so durch die Finger rieselte. Kanes Dinner am Mittwochabend war ein voller Erfolg.
»Ich habe heute meine Verlobung mit John aufgelöst, Mr. Taggert«, gestand ihm Cordelia Farrell schüchtern.
»Das ist eine gute Nachricht«, lachte Kane, faßte sie bei den Schultern und gab ihr einen herzhaften Kuß auf den Mund. Cordelia wurde zwar rot vor Verlegenheit; aber ihre Augen strahlten. »Sie sind doch nicht darauf angewiesen, einen alten Mann zu heiraten!«
»Vielen Dank, Mr. Taggert.«
Einen Moment blickte Kane sie betroffen an. »Wieso nennt mich eigentlich jeder Mr. Taggert?«
»Weil Sie«, warf Houston mit sanfter Stimme ein, »noch niemand dazu aufgefordert haben, Sie Kane zu nennen, Mr. Taggert.«
»Ihr könnt mich alle Kane nennen«, gab er ebenso sanft zurück; aber als er Houston dabei ansah, schien ein Feuer in seinen Augen zu brennen. »Nur du nicht, Houston. Du hast mich nur ein einziges Mal Kane genannt, und das gefiel mir so gut, daß wir es bei dem einen Mal belassen wollen.«
Houston wußte, das jeder der Anwesenden sofort begriff, was er damit sagen wollte, und der Hals wurde ihr trocken vor Verlegenheit.
Sarah Oakley nahm ein Kissen vom Boden und schleuderte es Kane an den Kopf.
Er fing es auf, und jeder hielt den Atem an. Denn wer wußte schon, wie Kane auf so etwas reagieren würde?
»Manchmal bist du wirklich kein Gentleman . . . Kane«, sagte Sarah wagemutig.
Aber Kane grinste sie nur an. »Gentleman oder nicht — jedenfalls sehe ich, daß du meinen Rat befolgt und dir ein neues Kleid gekauft hast. Schön, Houston, du darfst mich auch Kane nennen.«
»Im Augenblick möchte ich lieber bei dem Mr. Taggert bleiben«, gab Houston hochmütig zurück, und sie lachten alle zusammen.
Den ganzen Donnerstag hindurch wurde Kanes Haus für die Hochzeit am Montag vorbereitet. Kane und Edan schlossen sich in Kanes Büro ein und ignorierten die Möbelschlepper, die Lieferanten und die An- und Abfahrt fast aller Geschäftsleute von Chandler.
Der Freitag und Samstag verliefen nicht anders als der Donnerstag. Houston wies allen Leuten, die mit der Hochzeit zu tun hatten, ihre Aufgaben zu und erklärte ihnen immer wieder die Rolle, die sie zu spielen hatten. Da kamen die Männer und Frauen, die das Essen zubereiten und servieren sollten; die Männer, die
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