Herz aus Eis
vernünftig, und obwohl sie Kane noch nie gesehen hatte, war sie immerhin seine Kusine.
Houston konnte ohne Schwierigkeiten die Wache am Tor passieren und begab sich sofort zum Haus der Taggerts.
Jean erwartete sie bereits. »Keine Probleme?« fragte sie und starrte Houston dann mit fragenden Augen an. »Nun ja«, meinte sie schließlich, »ich bin froh, daß du es endlich weißt.«
»Laß uns erst die Sachen verteilen, damit wir dann ausführlich miteinander reden können«, sagte Houston.
Einige Stunden darauf kehrten sie mit dem leeren Fuhrwerk zu Jeans kleinem Haus zurück. Houston zog ein Päckchen Tee aus der Tasche. »Für dich.«
Sie schwiegen beide, während Jean den Tee zubereitete; und als sie am Tisch saßen, fing Jean zu sprechen an: »Wir werden also zu angeheirateten Verwandten.«
Houston führte die gesprungene Tasse an den Mund. »In fünf Tagen. Du wirst doch zur Hochzeit kommen, nicht wahr?«
»Natürlich. Ich werde mein Aschenputtel-Gewand aus dem Schrank holen und mich in meine gläserne Kutsche setzen.«
»Darüber brauchst du dir überhaupt keine Gedanken zu machen. Da habe ich bereits vorgesorgt. Jacob Fenton hat seine Genehmigung dazu gegeben, daß alle Taggerts das Lager verlassen können. Meine Schneiderin erwartet dich bereits, und Mr. Bagly, der Schneider, hat seine Instruktionen. Du mußt nur deinen Vater mitbringen, dazu Rafe und Ian.«
»Mehr verlangst du nicht?« gab Jean lachend zurück. »Mein Vater ist kein Problem; aber mit Rafe ist das eine andere Geschichte. Und bedauerlicherweise ist Ian genauso wie sein Onkel.«
Seufzend blickte Houston in ihre Tasse. »Laß mich raten. Erstens kannst du mir nicht sagen, ob Rafe sich mit der Idee anfreunden könnte, daß er zur Hochzeit eingeladen ist, weil er absolut unberechenbar ist. Vielleicht freut er sich darüber und lacht; oder er brüllt dich an, was das für eine Zumutung wäre.«
Jean starrte sie einen Moment mit offenem Mund an. »Nun sage mir bloß nicht, daß Kane ein echter Taggert ist!«
Houston stand auf und trat an das kleine Fenster. Eine Weile lang starrte sie durch die Scheibe, ohne etwas zu sehen und zu sagen.
»Warum heiratest du ihn?« frage Jean.
»Wenn ich das so genau wüßte«, antwortete Houston leise und blieb wieder eine Weile stumm. »Leander und ich waren das perfekte Paar«, fuhr sie dann gedankenverloren fort. »In all den Jahren, die wir verlobt waren — und verlobt waren wir eigentlich schon als Kinder —, haben wir uns nicht ein einziges Mal gestritten. Es gab ein paar . . . Probleme, als wir erwachsen wurden«, sagte sie, wobei sie an Lees Ärger dachte, weil sie sich weigerte, mit ihm ins Bett zu gehen, »aber meistens waren wir uns einig. Wenn ich grüne Vorhänge haben wollte, wünschte sich auch Leander grüne Vorhänge. Es herrschte zwischen uns fast so etwas wie eine perfekte Harmonie.«
Sie drehte sich zu Jean um. »Und dann lernte ich Mr. Taggert kenne. Ich glaube nicht, daß wir bisher auch nur ein harmonisches Gespräch geführt haben. Ich ertappe mich manchmal dabei, daß ich ihn ankeife wie ein Fischweib. Am Morgen nach dem Tag, an dem ich eingewilligt hatte, ihn zu heiraten, zerschlug ich einen mit Wasser gefüllten Tonkrug auf seinem Kopf. Ich bin wütend auf ihn, und im nächsten Moment möchte ich die Arme um ihn legen und ihn beschützen. Doch dann überkommt mich wieder ein Verlangen, mich an seine Stärke zu verlieren.«
Sie setzte sich und barg das Gesicht in ihren Händen. »Ich bin so verwirrt, daß ich nicht mehr weiß, welchen Wert etwas hat. Ich habe Leander so lange geliebt, war mir meiner Liebe zu ihm so sicher; aber wenn ich jetzt zwischen ihm und Kane zu wählen hätte, würde ich Kane behalten.«
Sie blickte hoch.
»Aber warum? Warum sollte ich denn mit einem Mann Zusammenleben wollen, auf den ich wütend bin? Der mir das Gefühl gibt, ich benähme mich wie eine Dirne? Der mir nachläuft wie ein Satyr, mich dann wieder von sich schiebt und sagt: >Davon später mehr, Honey<, als wäre ich es, die ihn herausfordert? Entweder übersieht er mich vollkommen, oder er verfolgt mich die ganze Zeit mit begehrlichen Blicken. Manchmal ist er bezaubernd zu mir, und dann behandelt er mich wieder so respektlos wie ein zurückgebliebenes Kind, gibt mir jedoch im nächsten Moment eine unglaublich hohe Summe Geldes in die Hand und befiehlt mir, die Arbeit von zehn Leuten auf einmal zu erledigen . . .«
Houston stand rasch von ihrem Stuhl auf. »Ich glaube, ich muß
Weitere Kostenlose Bücher