Herz aus Eis
Haus war, blickte nun in diese Richtung. Während Houston in deren Rücken schräg über den Rasen an der Westseite auf die Büsche zu lief.
Tief im Schatten einiger schwarzer Walnußbäume lieferte sich Ian einen aussichtslosen Kampf mit vier kräftigen Jungen, die auf ihm lagen.
»Hört auf damit!« sagte Houston mit ihrer strengsten Stimme.
Keiner von den Jungen ließ sich davon im geringsten beeindrucken.
Sie schob sich zwischen wildbewegte Arme und Beine, faßte nach einem Ohr und zog daran. Jeff Randolph kam, beide Fäuste schwingend, nach oben, hielt aber sofort still, als er Houston erkannte. Sie gab ihm ein Zeichen, zurückzutreten, während sie sich um George und Alex Lechner bemühte, sie beide ebenfalls an den Ohren in die Höhe ziehend.
Jetzt lag nur noch Steve Randolph auf Ian, und als Houston Steve beim Ohr packte, warf er sich, ein Bündel blinder Wut, mit wilden Schwingern auf den vermeintlich neuen Feind. Die drei Jungen, die im Hintergrund standen, stöhnten entsetzt, als Steve eine Gerade gegen Houstons abfeuerte. Sie duckte sich, und da sie keinen anderen Ausweg sah, schlug sie mit einer rechten Geraden zurück. Nachdem sie monatelang ein Fuhrwerk mit vier Pferden über weite Strecken kutschiert hatte, waren ihre Arme ziemlich kräftig geworden.
Einen Moment standen sie alle wie gelähmt, während Steve langsam nach hinten fiel und quer über Ians Beinen zusammenbrach.
Houston erholte sich als erste. »Steve!« rief sie, kniete neben dem Jungen nieder und gab ihm ein paar sanfte Backenstreiche. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Verdammt!« rief Ian keuchend. »Ich habe noch keine Lady mit so einem Punch gesehen!«
Steve stöhnte, setzte sich auf, rieb sich das Kinn und blickte Houston dabei ehrfürchtig an. Tatsächlich wurde sie nun von fünf Jungen mit offenem Mund bewundernd angestarrt.
Sie erhob sich von den Knien. »Ich schätze ein solches Betragen an meinem Hochzeitstag nicht«, sagte sie mit hoheitsvoller Stimme.
»Nein, Madam«, murmelten vier von den Jungen.
»Wir hatten nichts Böses im Sinn, Miss Blair-Houston. Er . . .«
»Ich möchte jetzt keine Ausreden hören. Ihr vier geht zu euren Eltern zurück, und du, Steve, legst dir etwas Eis aufs Kinn.«
»Ja, Madam«, rief er über die Schulter zurück. Die vier waren bereits unterwegs zum Haus.
Sie streckte Ian die Hand hin, um ihm vom Boden aufzuhelfen. »Du kannst dich mir anschließen.«
Er ignorierte ihre Hand. »Ich gehe nicht in sein Haus. Wenn Sie das meinen«, sagte er wütend.
»Vielleicht hast du recht. Ich habe ein Rosenspalier als Treppe benutzt, um mich in eure Prügelei einzumischen. Ein Junge, der in einem Kampf verliert, kann vermutlich auch nicht an einem Spalier hinauf klettern.«
»Einen Kampf verlieren?« Er war so groß wie sie, mit sechzehn schon fast so kräftig wie ein Mann, und versprach, einmal so ein Hüne wie Kane zu werden. Er brachte sein Gesicht so dicht heran, daß sie sich beide fast mit den Nasenspitzen berührten. »Falls Sie nicht zählen können — es waren vier gegen einen, und ich hätte den Kampf gewonnen, wenn Sie sich nicht eingemischt hätten.«
»Aber du hast Angst, das Haus deines eigenen Vetters zu betreten«, sagte sie, als wäre das eine nüchterne Feststellung. »Wie seltsam. Guten Tag.« Sie ging mit energischen Schritten in Richtung Haus davon.
Ian lief ihr nach und paßte sich dann ihrem Schritt an. »Ich habe keine Angst. Ich will nur nicht hineingehen.«
»Natürlich nicht.«
»Was soll das heißen?«
Sie blieb stehen. »Ich bin ganz deiner Meinung. Du hast keine Angst vor deinem Vetter; du willst ihn nur nicht sehen oder an seinem Tisch essen. Ich verstehe vollkommen.«
Sie sah, wie es in seinem Gesicht arbeitete.
»Wo ist dieses verdammte Rosenspalier, von dem Sie eben geredet haben?«
Sie blieb wie angewurzelt stehen und sah ihn an.
Er gab es auf, sie wütend anzufunkeln. »Also gut — wo ist dieses Rosenspalier, das Sie als Treppe benützen?«
»Dort drüben.«
Kane wollte gerade ins Haus zurückkehren, als ihn der ungewöhnliche Anblick seiner zukünftigen Frau — die in einem Gewand, das seines Wissens nach keine Lady außerhalb ihres Hauses trug, am Rosenspalier herunterkletterte — veranlaßte, mitten im Schritt innezuhalten.
Es war mehr als nur ein bißchen Neugierde, was ihn nun bewegte, sich hinter einem Baum zu verstecken. Er sah, wie sie sich in das Kampfgetümmel einer Horde raufender Jungen stürzte, die alle so groß waren wie sie.
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