Herz aus Eis
Und als er schon unterwegs zum Kampfplatz war, um ihr beizustehen, sah er, wie sie einen Jungen mit einem meisterhaften Boxhieb zu Boden streckte.
Im nächsten Moment wies sie einen großen, finster blickenden Jungen auf eine für sie typische kühle Art in seine Schranken. »Er hat nicht die geringste Chance«, sagte Kane laut, mit einem Lachen in der Stimme. Er hatte inzwischen gelernt, daß ein Mann immer den kürzeren zog, wenn Houston so ein Gesicht machte.
Er lachte abermals, als er sah, wie der finster blickende Junge nun begann, vor Houston das Rosenspalier hinaufzuklettern. Doch während er zuschaute, sah er, wie Houstons Frisiermantel an ein paar Dornen hängenblieb und sie sich bemühte, den Stoff und sich aus dieser Klemme zu befreien. Im selben Moment bogen drei Männer und eine Frau um die Hausecke, und es konnte nur Sekunden dauern, ehe ihnen Houston vor Augen kam.
Rasch lief er über den Rasen und legte die Hand auf ihren Fußknöchel.
Als Houston nach unten sah und Kane erblickte, war sie einer Ohnmacht nahe. Was mußte er jetzt wohl von der Frau denken, die er in einer Stunde heiraten sollte? Sie wußte sehr genau, was Leander oder Mr. Gates dazu sagen würden, wenn sie sie in aller Öffentlichkeit in ihrer Schlafzimmer-Kleidung an einem Rosenspalier hinaufklettern sahen.
Als Houston auf Kane hinunterblickte, sagte sie das einzige, was ihr gerade einfallen wollte: »Mein Hut sitzt nicht gerade.«
Sie hoffte, daß das Geräusch, das er dabei machte, ein Kichern war.
»Honey, selbst ich weiß, daß Ladies keine Hüte tragen zu ihrer Badezimmerwäsche.«
Houston war wie gelähmt. Er nahm es ihr nicht übel!
»Wenn du aber nicht willst, daß alle dich in diesem Aufzug sehen, würde ich an deiner Stelle wieder rasch ins Haus zurückgehen.«
»Ja«, sagte sie, sich von ihrem Schock erholend, und kletterte rasch am Spalier empor, während er ihr nachschaute. Als sie den Balkon erreicht hatte, beugte sie sich über die Brüstung. »Kane«, rief sie zu ihm hinunter, »dein Hochzeitsgeschenk liegt in deinem Büro.«
Er grinste zu ihr hinauf: »Wir sehen uns ja bald wieder, Baby.«
Damit steckte er die Hände in die Taschen und ging pfeifend, den Leuten zunickend, denen er begegnete, ins Haus zurück.
»Houston«, sagte Opal hinter dem Rücken ihrer Tochter, »wenn du dich jetzt nicht endlich anziehst, versäumst du deine eigene Trauung.«
»Lieber würde ich sterben«, sagte Houston mit großem Nachdruck und lief in ihr Schlafzimmer.
Zehn Minuten später packte Kane das Päckchen aus, das Houston auf seinen Schreibtisch gelegt hatte. Darin befanden sich zwei Kisten mit Zigarren und ein Billett:
Das sind die feinsten Zigarren, die man in Kuba herstellt. Von nun an werden jeden Monat zwei Kisten von den besten Zigarren, die man auf der Welt bekommen kann, Mr. Kane Taggert ins Haus geliefert.
Unterschrieben war das Billett von einem Zigarrenhaus in Key West, Florida.
Kane zündete sich gerade eine von den geschenkten Zigarren an, als Edan ins Büro kam. Kane hielt ihm eine Kiste hin. »Von Houston. Kannst du mir sagen, wie es ihr gelungen ist, diese Dinger noch rechtzeitig zur Hochzeit zu besorgen?«
Edan ließ sich erstmal die Zigarre ein paar Sekunden lang schmecken. »Wenn ich etwas in diesem Leben noch lernen kann, dann dies, daß man eine Lady niemals unterschätzen darf.«
»Jede Frau, die solche Zigarren kauft, ist wahrhaftig eine Lady. Nun«, sagte Kane schwerfällig, »ich schätze, es wird Zeit, daß ich mich für die Trauung umziehe. Willst du mitkommen und mir bei diesem Binder helfen?«
»Klar.«
Kapitel 14
Das Hochzeitskleid war von Houston selbst entworfen, schlicht, aber von einer raffinierten Schlichtheit. Es bestand aus elfenbeinfarbenem Seidenatlas, der in langen, die Figur betonenden Bahnen ohne Quersäume verarbeitet war. Ein kompliziertes persisches Muster aus Tausenden von Zuchtperlen schmückte die Taille, lief von dort an den Hüften hinunter und in zwei Bahnen über die Brüste bis zur hochgezogenen Halslinie hinauf. Die Ärmel von den Schultern bis zu den Ellenbogen waren gewaltig und betonten durch ihre Größe die schmale Taille noch mehr. Die engen Manschetten, die vom Ellenbogen bis zu den Handgelenken reichten, waren ebenfalls mit Zuchtperlen bestickt, die das Muster an der Gürtellinie wiederholten.
Houston stand ganz still, während ihre Freundinnen den Schleier an ihrem Kopf befestigten. Es war ein fünf Meter langes Gespinst aus handgefertigter irischer
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