Herz aus Eis
konnte, dachte sie. Aber natürlich konnte er.
Während sie der Plattform näher kamen, überlegte Houston fieberhaft, wie sie diese Panne am elegantesten zu bereinigen vermochte. Miss Jones hatte ihr versichert, sie habe in ihrem Lehrplan jede Situation berücksichtigt, in die eine Lady geraten konnte; aber es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, daß eine Lady Gefahr laufen könne, den falschen Mann zu heiraten.
Als die Zwillinge auf die Plattform hinaufstiegen, hielt Kane immer noch den Kopf zur Seite gedreht, und Houston konnte nicht umhin, sich mit einer leichten Verstimmung zu fragen, warum er denn nichts unternahm, um den Platz zu tauschen. War es ihm so egal, welchen der Zwillinge er bekam?
»Meine innig geliebte Braut, wir . . .«
»Entschuldigung«, unterbrach ihn Houston mit so leiser Stimme, daß nur die unmittelbar Betroffenen es hören konnten, »ich bin Houston.«
Leander verstand sofort. Er sah zu Kane hinüber, der nun den Blick nach vorn richtete. »Sollen wir die Plätze tauschen?«
Kane blickte die beiden Frauen nicht an. »Meinetwegen kann’s so bleiben, wie’s ist.«
Houston spürte, wie ihr das Herz in die Kniekehlen rutschte. Leander wollte Blair haben, und Kane würde sie ebenfalls zur Frau nehmen. Plötzlich fühlte sie sich so nützlich wie ein fünftes Rad am Wagen.
»Damit bin ich aber nicht einverstanden«, sagte Leander, und die beiden Männer tauschten die Plätze.
Hinter ihnen hatten während dieses Wortwechsels die Zuschauer zu kichern begonnen; und als Kane nun mit Leander die Plätze tauschte, gab es ein ausgewachsenes Gelächter. Obwohl die Gäste sich zunächst bemühten, ihre Heiterkeit zu bändigen, hatten sie damit keinen Erfolg.
Houston warf einen verstohlenen Blick auf Kane und sah den Zorn in seinen Augen.
Die Zeremonie dauerte nicht lange, und als Reverend Thomas die frisch vermählten Ehemänner aufforderte, ihre Braut zu küssen, umarmte Lee Blair voller Inbrunst. Doch Kanes Kuß war kalt und flüchtig. Er wollte ihr dabei nicht einmal in die Augen schauen.
»Könnte ich dich in deinem Büro sprechen, bitte?« fragte Houston. »Allein?«
Er nickte kurz und ließ sie wieder los, als wäre ihm der Körperkontakt mit seiner Braut lästig.
Die beiden Brautpaare verließen nun ziemlich hastig die Bibliothek, und kaum befanden sie sich draußen im Korridor, als die Gäste sich schon um die Bräute drängten, so daß Houston und Kane rasch voneinander getrennt wurden. Es gab viel Gekichere über den Bräutigamswechsel am Altar. Nicht einer der Gäste konnte der Versuchung widerstehen, allen anderen mitzuteilen, daß Lee sich offenbar bis zuletzt nicht sicher gewesen war, welchen der Zwillinge er eigentlich haben wollte.
Jean Taggert zog Houston auf die Seite. »Was ist passiert?«
»Ich denke, meine Schwester glaubte, mir einen Gefallen zu tun, wenn sie mich Leander überließ. Sie wollte sich opfern und den Mann nehmen, den ich liebe.«
»Hast du Blair erzählt, daß du Kane liebst? Daß du ihn wirklich heiraten wolltest?«
»Ich habe das noch nicht einmal Kane erzählt. Ich hatte irgendwie das Gefühl, er würde mir nicht glauben. Ich wollte ihm lieber in den nächsten fünfzig Jahren zeigen, was ich für ihn empfinde.« Nun blinkten auch noch Tränen in ihren Augen, die sie vergeblich niederzukämpfen versuchte.
»Am Altar sagte Kane, es wäre ihm egal, ob er mich oder meine Schwester zur Frau bekäme.«
Jean faßte Houston am Arm und zog sie mit sich fort, als jemand von Houstons Verwandtschaft auf die Braut zugehen wollte. »Wenn du einen Taggert heiratest, mußt du stark sein. Sein Stolz ist verletzt worden, und wenn er gekränkt ist, macht oder sagt er die unmöglichsten Dinge. Geh zu ihm und gestehe ihm, was deine Schwester angestellt hat. Oder sag ihm, es wäre ein Regiefehler gewesen — irgend etwas; nur überlaß ihn jetzt nicht seinem schweigenden Brüten. Er wird sich sonst in einen solchen Zorn hineinsteigern, daß alle Versuche, an ihn heranzukommen, hoffnungslos sind.«
»Ich habe ihn gebeten, sich mit mir in seinem Büro zu treffen.«
»Warum stehst du dann noch hier herum?«
Mit dem Anflug eines Lächelns warf Houston sich die lange Schleppe zweimal über den linken Arm und marschierte den Korridor zu Kanes Büro hinunter.
Er stand vor einem hohen Fenster und beobachtete, eine unangezündete Zigarre im Mundwinkel, die Leute draußen auf dem Rasen. Er blickte nicht zur Tür, als sie hereinkam.
»Es tut mir schrecklich leid, daß diese
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