Herz aus Eis
Farben. Manche waren gelb und klein wie Knöpfe, andere wieder so groß wie ihr Kopf und leuchtend rot. Große Kolonien von Pilzen, die aussahen wie hohe Grashalme, wuchsen senkrecht aus dem Waldboden.
Es ging stetig bergan, die Luft wurde dünner, und die Vegetation, die sie jetzt umgab, ähnelte immer mehr einem Regenwald, während in Chandler doch eher so etwas wie ein Steppenklima herrschte. Zweimal mußte sie anhalten und zwischen wuchernden Pflanzen nach ihrem Trampelpfad suchen, und einmal folgte sie einem Trail, der nach einer Meile in einer sandigen Kuhle endete, über der sich ein Felsen wölbte mit einem natürlichen Fenster am Scheitelpunkt. Dieser Ort weckte seltsame Empfindungen in ihr: Furcht und zugleich Ehrfurcht, als wäre das eine Stätte, an der man niederknien und beten sollte.
Sie führte das Pferd am Zügel zurück zu der Stelle, wo der Boden wieder hart war, und lenkte es an der Grotte vorbei.
Eine Stunde später hatte sie zum erstenmal Glück: Sie fand ein Stück Tuch von Kanes Hochzeitsanzug, das an einer scharfen Felsnase hängengeblieben war. Ihre Erleichterung, daß er sich tatsächlich am Ende dieses Pfades befinden mußte, war ungeheuer. Mit neu erwachtem Eifer trieb sie ihr widerstrebendes Pferd weiter bergan.
Sie hätte wohl ohne weitere Zwischenfälle das Ziel ihrer Reise erreicht, wenn es nicht plötzlich angefangen hätte zu regnen. Kalte, eiskalte Güsse kamen auf sie herunter, und dann, als sich genügend Regen in den Spalten und Höhlungen der Felsen über ihr angesammelt hatte, flutete auch von dort das Wasser auf sie herunter, so daß sie fast gar nichts mehr sehen konnte. Sie versuchte, mit weit vorgebeugtem Oberkörper zu reiten, um das Gesicht vor dem Regen zu schützen und den kaum noch erkennbaren Pfad nicht aus den Augen zu verlieren.
Blitz und Donner begannen das Pferd scheu zu machen, so daß es auf dem handtuchbreiten Pfad zu tänzeln anfing. Nachdem Houston eine Weile lang mit Regen und Pferd zugleich gekämpft hatte, stieg sie ab und führte den Gaul am Zügel, damit sie in dieser Sintflut nicht auch noch vom Weg abkam.
An einer Stelle wurde der Pfad zu einem schmalen Felsband zwischen einer tiefen Schlucht und einer Steilwand. Houston setzte einen Fuß darauf und beruhigte das Pferd, machte einen ganzen Schritt und beruhigte das Pferd wieder. »Wenn du nicht unser Hochzeitsessen auf dem Rücken tragen würdest, ließe ich dich einfach hier stehen«, fluchte sie leise.
Am Rand der Klippe flammte ein Blitz auf, und da sah sie die Blockhütte. Einen Moment verharrte sie regungslos auf der Stelle und blickte durch den Regen, der ihr von der Nase tropfte. Sie hatte schon fast nicht mehr an die Existenz dieser Hütte geglaubt. Und was sollte sie jetzt tun? Zur Tür marschieren, anklopfen, und wenn Kane ihr öffnete, ihm sagen, sie wollte mal kurz bei ihm reinschauen und ihre Visitenkarte abgeben?
Sie war schon versucht, mit ihrem Pferd wieder umzukehren, als die Hölle losbrach. Der idiotische Gaul, den sie mehr auf den Berg hinaufgezerrt als geritten hatte, begann zu wiehern, bekam Antwort von einem anderen Gaul und preschte los, ohne daran zu denken, daß Houston ihm im Weg stand. Sie schrie, als sie in den Modder fiel und dann die Bergkante hinunterzurollen begann; doch der Knall einer Schrotflinte, die in ihre Richtung zielte, übertönte ihren Schrei. »Verschwinde, wenn du nicht wie ein Sieb durchlöchert werden willst!« hörte sie Kane im Regen brüllen.
Houston hing jetzt über dem Rand einer Steilwand, klammerte sich an die Wurzeln einer Krüppelkiefer und versuchte, für ihre pendelnden Beine einen Halt zu finden. Er war doch hoffentlich nicht so wütend, daß er sie auf der Stelle erschoß?
Jetzt war nicht die Zeit, ihn erst lange danach zu fragen. Sie hatte die Wahl, am Fuß der Steilwand zu zerschellen oder sich Kanes Wut zu überlassen.
»Kane!« schrie sie und spürte, wie ihre Armmuskeln zu versagen begannen.
Fast im selben Augenblick tauchte sein Gesicht über dem Rand der Steilwand auf. »Du meine Güte«, sagte er ungläubig, während er einen Arm ausstreckte und sie beim Handgelenk packte.
Fast mühelos zog er sie auf das Plateau hinauf, stellte sie dort auf den Boden und trat einen Schritt von ihr zurück. Er schien offenbar nicht zu glauben, daß sie es sein könnte.
»Ich wollte dich besuchen«, sagte Houston mit einem nassen, schiefen Lächeln, während sie auf wackligen Beinen im Regen vor ihm stand.
»Nett, dich bei mir zu
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