Herz aus Eis
hatten nicht auf dem Speisezettel für das Hochzeitsmenü gestanden, das sie selbst zusammengestellt hatte. Zweifellos hatte Mrs. Murchison sie eigenmächtig, ihrem teuren Mr. Taggert zuliebe, auf den Menüplan gesetzt. Es mußten eine Menge Leute in der Küche versammelt gewesen sein, als die Satteltaschen für die >heimliche< Entführung gepackt wurden, dachte Houston.
»Was, in aller Welt, ist das?« fragte Kane.
»Ich hatte mir gedacht, eine Hochzeit ist eine gute Gelegenheit, die Leute von Chandler mit ausländischen Eßwaren bekannt zu machen. Das ist eine deutsche Brezel. Ich habe auch italienische Teigwaren für die Gäste bestellt, aber die werden sie uns vermutlich nicht eingepackt haben.«
Und während sie Kane ihren Menüplan für das Hochzeitsessen erläuterte, holte sie eine Schüssel voll Waldorf-Salat aus der Satteltasche, eine Keksbüchse mit Obsttörtchen, eine Schachtel voller Lebkuchen, ein Säckchen mit kandierten Erdnüssen und eines mit Karamellbonbons. In einer anderen Satteltasche fand sie drei Laibe Brot, eine Büchse mit Bratenfleisch-Aufschnitt, Käse, Gemüsezwiebeln, ein Glas Oliven und ein Glas Senf.
»Ich glaube nicht, daß wir verhungern müssen. Ah, hier ist sie!« Sie zeigte Kane eine große Blechbüchse, in dem eine große Portion von der Hochzeitstorte eingepackt war.
Er nahm das kleine Messer vom Bett, schnitt ein Stück von der Torte ab und fütterte sie damit. Houston hielt seine Hand und leckte die Sahne von seinen Fingerspitzen. Er legte die andere Hand an ihre Wange und küßte sie.
»Wenn du immer in meiner Nähe bleibst«, murmelte er, »könnte es passieren, daß ich an Entkräftung sterbe. Würdest du mich bitte erst etwas essen lassen, ehe du mich zum zweiten Mal verführst?«
»Ich?« keuchte sie. »Du bist es doch, der . . .«
»Ja?« fragte er, langte nach einem Hühnerbein und begann es abzunagen. »Was wolltest du mir gerade vorwerfen?«
»Vielleicht möchte ich das jetzt nicht weiter vertiefen. Würdest du mir bitte die Konservenbüchse mit der Suppe reichen?«
»Hast du mein Hochzeitsgeschenk an dich gefunden? In dem kleinen Lederkoffer?«
»Du meinst den kleinen Lederkoffer, der bei den anderen Geschenken auf dem Tisch im Salon lag?« Als er nickte, meinte sie, sie habe leider noch keine Zeit gehabt, ihn sich genauer anzusehen.
»Was ist denn in dem Koffer?«
»Wenn ich es dir sage, ist es keine Überraschung mehr.«
Houston aß ein paar Löffel von der Suppe. »Ich meine, Hochzeitsgeschenke sollten am Tage der Hochzeit überreicht werden. Und da wir hier sind, und der Koffer dort, möchte ich jetzt ein anderes Geschenk von dir haben.«
»Du weißt ja noch nicht einmal, was in dem Koffer steckt! Und hier oben kann ich dir doch unmöglich ein neues Geschenk kaufen.«
»Manchmal sind es gerade die kostbarsten Geschenke, die man nicht in einem Laden kaufen kann. Ich möchte etwas Persönliches, ganz Spezielles von dir haben.«
Kanes Gesichtsausdruck verriet ihr, daß er keine Ahnung hatte, wovon sie redete.
»Ich möchte, daß du die Geheimnisse deines Leben mit mir teilst.«
»Ich habe dir doch schon alles über mich erzählt! Willst du wissen, wo ich mein Bargeld versteckt habe, falls einige von meinen Investitionen zu finanziellen Pleiten werden?«
Sie schnitt sich ein Stück von einem Camembert ab. »Ich dachte eher an etwas Persönliches, das mit deiner Familie zu tun hat. Vielleicht kannst du mir etwas über deinen Vater oder deine Mutter erzählen; oder mir vielleicht verraten, warum du die Fentons so haßt. Du könntest mir auch etwas von dem Gespräch erzählen, das du heute morgen im Garten mit Pamela Fenton geführt hast.«
Kane war so verblüfft, daß er einen Moment kein Wort herausbrachte. »Deine Wünsche sind aber wirklich sehr bescheiden! Soll ich dir vielleicht auch meinen Kopf auf einem silbernen Tablett überreichen? Warum willst du denn das alles wissen?«
»Weil wir verheiratet sind.«
»Nun zeige mir ja nicht dein hochmütiges Lady-Gesicht! Ich wette, die meisten Ehepaare sind so intim miteinander wie deine Mutter mit diesem nüchternen Pedanten, den sie geheiratet hat. Sie hat so großen Respekt vor ihm, daß sie ihn mit Mr. Gates anredet. Du hast das anfangs ja auch bei mir so gemacht. Ich wette, deine Mutter hat von ihrem Mr. Gates nie solche Sachen wissen wollen wie du jetzt von mir.«
»Nun gut. Vielleicht bin ich nur schrecklich neugierig. Die Neugierde auf dein Haus war es ja auch, die mich . . . nun, die dazu
Weitere Kostenlose Bücher