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Herz aus Feuer

Titel: Herz aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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—, erlebten sie, was Menschen nur selten vergönnt ist: Sich selbst mit den Augen eines anderen zu betrachten.
    Zunächst war Blair so sehr damit beschäftigt, Houstons Gang zu imitieren, hoheitsvoll ins Zimmer zu treten und die Leute anzusehen, als wären sie kaum noch wahrnehmbare Gestalten am Horizont, daß sie gar nicht merkte, wie ihre Schwester sie kopierte.
    Erst als Mr. Gates in den Salon kam und in einem sehr höflichen Ton sagte, daß die beiden jungen Damen ganz reizend aussähen, fiel ihr auf, daß Houston — als Blair — den Kopf in den Nacken warf und ihre überlegene Körpergröße ausnützte, um auf den Mann hinunterzusehen. »Ich bin ein Doktor, und ein Doktorhut ist mir wichtiger als Schönheit. Denn ich verlange mehr vom Leben als Ehepflichten und Kinderkriegen.«
    Blair öffnete den Mund, um zu protestieren, daß sie so etwas nie sagen und keinen Mann angreifen würde, der sie nicht zuerst angegriffen hatte; doch als sie rundum die Gesichter betrachtete, merkte sie, daß sich niemand über Houstons Verhalten wunderte.
    Ihr tat Mr. Gates fast leid, als sein Gesicht rot anlief und er nach Luft schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ehe sie recht wußte, was sie tat, trat sie zwischen ihre Schwester und den empörten kleinen Mann. »Es ist ein so schöner Abend«, sagte sie laut. »Wollen wir nicht hinaus in den Garten gehen und dort auf Leander warten, Blair?«
    Als Houston sich zu ihr umdrehte, machte sie ein so wütendes und aufsässiges Gesicht, wie Blair es bei ihrer Schwester noch nie erlebt hatte. Sehe ich wirklich so aus? fragte sie sich. Bin tatsächlich ich meistens der Anstifter, wenn es zu einem Streit zwischen mir und Mr. Gates kommt?
    Sie wollte Houston danach fragen; aber ehe sie in den Garten hinausgehen konnten, traf Leander ein, um sie abzuholen.
    Blair trat zurück, sah zu, wie Houston sich in ihrer Rolle benahm, und hätte ihn am liebsten gegen ihre Schwester in Schutz genommen. Er war höflich, zuvorkommend, ganz Kavalier und — oh, ein so gutaussehender Mann! Hatte sie denn nie bemerkt, daß Leander ein Herzensbrecher sein konnte? Er sah so gesetzt aus mit seinen grünen Augen, der langen dünnen Nase und den vollen Lippen. Sein schwarzes, ungewöhnlich langes Haar streifte den Kragen seines Jacketts. Aber was Blair an ihm fesselte, war nicht sein stattliches Äußeres, sondern der Ausdruck seiner Augen —    schöne, unergründliche Augen voller Geheimnisse hinter langen Wimpern.
    »Houston?« fragte er und holte sie in die Wirklichkeit zurück. »Ist dir nicht gut?«
    »Oh, doch«, sagte sie und bemühte sich, ihn so kühl wie ihre Schwester anzublicken.
    Als Leander die Hände an ihre Hüfte legte und sie in die Kutsche hob, lächelte sie ihm zu, und er lächelte zurück —    kurz und flüchtig nur; aber herzerwärmend. Und sie freute sich auf die Zeit, die sie ihn für sich haben würde.
    Kaum saßen sie in der Kutsche, als Houston sich mit Leander anlegte.
    »Was tust du, um eine Peritonitis einzudämmen?« fragte sie in einem so aggressivem Ton, daß Blair sie verwundert ansah. Warum behandelte sie ihn so schroff? Und woher kannte sie den medizinischen Fachausdruck für eine Bauchfellentzündung?
    »Ich nähe die beiden Schichten des Darms zusammen und bete«, erwiderte er — eine sehr vernünftige und richtige Antwort.
    »Habt ihr hier in Chandler noch nie etwas von Asepsis gehört?«
    Blair wartete mit angehaltenem Atem, wie Lee darauf reagieren würde. Für Blair war das keine Frage, sondern eine Beleidigung, und sie hätte es Lee nicht übelgenommen, wenn er Houston jetzt tüchtig die Meinung gesagt hätte. Doch Lee tauschte nur einen Blick mit ihr, kniff die Augen zusammen und sagte dann zu Houston, daß auch die Ärzte in Chandler sich immer die Hände wuschen, ehe sie ein Skalpell anfaßten.
    Da mußte Blair wieder lächeln, während sie und Lee einen Blick tauschten wie zwei Menschen, die sich einig wissen in ihrem Urteil. Sie lehnte sich ins Polster zurück, betrachtete den Sternenhimmel und hörte nicht mehr auf das Gezänk ihrer Schwester, die sich pausenlos mit Lee anlegte.
    Sie war froh, als sie Tias Haus erreichten und Houston dort absetzen konnten. Und als sie mit Lee allein in der Kutsche saß, seufzte sie tief und sagte:
    »Ich komme mir vor wie nach einem schweren Gewitter.« Dann blickte sie rasch zu Lee hinauf — ein wenig reumütig, weil sie sich im Grunde selbst kritisiert hatte.
    »Sie hat es nicht böse gemeint. Alle Ärzte, die

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