Herz aus Feuer
Fachgebiet; dich nicht mit Lee zanken und schreiten wie eine Lady — nicht rennen, als wäre irgendwo ein Feuer ausgebrochen.«
Blair schwindelte der Kopf. Seit sie nach Chandler zurückgekehrt war, hatte sie nicht mehr ruhig schlafen können vor Sorge, daß man ihrer Schwester jeden Unternehmungsgeist genommen habe. Das war das erste Zeichen seit Wochen, daß noch Leben in Houston steckte. Da wurde noch einmal die Erinnerung an ihre Kindheit wach, wo sie sich oft aus einer Klemme befreit hatten, indem einer sich für den anderen ausgab, und hinterher Tränen lachten über die genarrten Erwachsenen. Aber ob Leander sich so leicht täuschen ließ? Es genügte ein hämisches Wort über Blair, die Lady im weißen Kittel, und schon war es passiert!
Ihr Kopf ruckte hoch. Leander hatte noch nie ein hämisches Wort zu Houston gesagt, und einen Abend lang würde sie Houston sein. Denn das war ihre Chance, sich davon überzeugen zu können, ob Leander tatsächlich so ein wunderbarer Mann war, wie Opal und Houston behaupteten. Wenn sie allein waren, würde sich schon zeigen, ob Leander und Houston sich wirklich liebten und zueinander paßten.
»Bitte, Blair — ich habe dich selten um etwas gebeten.«
»Nur, daß ich ein paar Wochen bei unserem Stiefvater wohnen soll, den ich verabscheue, wie du weißt, und mir täglich die Arroganz dieses Mannes gefallen lassen muß, den du zu heiraten gedenkst«, sagte Blair. Aber sie lächelte dabei. Wenn sie wußte, daß ihre Schwester mit ihm glücklich würde, konnte sie beruhigt wieder nach Pennsylvania zurückkehren.
»Oh, Blair, ich möchte mir so gern das Haus anschauen!«
»Ist es wirklich nur das Haus und nicht der Eigentümer?«
»Ich bitte dich, Blair! Ich habe Hunderte von Dinnerparties besucht, und nicht einem meiner Gastgeber ist es gelungen, mir dabei auch den Kopf zu verdrehen. Und es werden ja noch andere Gäste zugegen sein.«
»Hättest du etwas dagegen, wenn ich Leander nach eurer Hochzeit erzähle, daß ich einen Abend mit ihm verbracht habe? Allein schon sein belämmertes Gesicht zu sehen, würde mich für alles entschädigen.«
»Natürlich darfst du ihm das später erzählen. Lee hat viel Sinn für Humor. Ich bin sicher, er wird lachen und kein belämmertes Gesicht machen.«
»Ich bin mir da nicht so sicher; aber es genügt ja, wenn ich es lustig finde.«
»Dann wollen wir uns jetzt auf den Abend vorbereiten. Ich möchte etwas anziehen, das zu dem Haus paßt, und du mußt mein blauseidenes Modellkleid von Worth tragen.«
»Meine türkischen Hosen wären mir lieber; aber dann wüßte Leander sofort, mit wem er es zu tun hat.«
Sie folgte Houston ins Haus, sich mehr für ihren Plan erwärmend. Zwar würde es nicht leicht sein, in Houstons Haut zu schlüpfen und sich auf diese träge Art vorwärtszubewegen, die Houston als Schreiten bezeichnete; aber Blair betrachtete das Ganze als eine Herausforderung an ihr Showtalent und freute sich sogar auf diesen Abend.
Erst als sie spürte, mit welcher Kraft Houston die Korsettschnüre anzog, kamen ihr wieder Bedenken. Houston nahm ja gern ein paar Schmerzen in Kauf, wenn es der Schönheit diente; doch Blair mußte ständig an ihre inneren Organe denken, die von den Korsettstangen gefoltert wurden. Doch dann, als sie das Kleid überstreifte und sich im Spiegel mit Houstons Wespentaille sah, waren ihr die inneren Organe nicht mehr so wichtig.
Houston trat einen Schritt zurück und betrachtete ihre Schwester. »Nun siehst du wie eine Frau aus.« Sie blickte an ihrer Bluse und ihrem Rock hinunter und spürte kaum die leicht geschürzte Korsage darunter. »Und ich fühle mich so leicht wie eine Feder.«
Sie standen eine Weile schweigend nebeneinander und verglichen ihre Spiegelbilder. »Nun kann uns keiner mehr auseinanderhalten«, murmelte Houston.
»Solange wir nicht den Mund aufmachen«, setzte Blair hinzu.
»Das dürfte für dich kein Problem sein. Solange du Houston bist, brauchst du kein Wort zu sagen.«
»Soll das heißen, daß ich dir als Blair zu viel rede?« brauste ihre Schwester auf.
»Das soll heißen, daß wir heute abend zu Hause bleiben müßten, weil Mutter sofort einen Arzt kommen ließe, wenn ich als Blair keinen Ton sagen würde.«
»Du meinst, wenn du dich nicht mit Leander streiten würdest?« sagte Blair, und sie mußten beide lachen.
Als sie sich später fertig angezogen und ausgehbereit im Salon einfanden — Blair wollte angeblich den Abend mit einer Freundin, Tia Mankin, verbringen
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