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Herz aus Feuer

Titel: Herz aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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frisch von der Schulbank kommen, benehmen sich so. Man spürt die Last der Verantwortung, die auf unseren Schultern ruht.«
    »Und das ändert sich später?«
    »Ja; aber ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll. Ich glaube, man lernt die Grenzen seiner Möglichkeiten kennen und findet sich damit ab, daß man mit seinen Händen nicht die ganze Welt retten kann.«
    Blair lehnte sich entspannt wieder ins Polster zurück. Wie nett von ihm, daß er sich nicht bei ihr über Houstons Attacken beschwerte. Und er hatte sie als Ärztin anerkannt.
    Sie fand es ganz in Ordnung, daß sie nun ihren Arm unter den seinen schob und sich nicht in die entfernte Ecke zurückzog, wo ihre Schwester gesessen hatte. Sie bemerkte nicht, wie verwundert er sie dabei ansah. Sie dachte nur daran, wie schön dieser Abend war.

Kapitel 4
    Chandler lag zweitausenddreihundertdreißig Meter über dem Meeresspiegel am Fuß der Rocky Mountains, und dementsprechend sauber, dünn und klar war die Luft. Im Sommer herrschten tagsüber angenehme Temperaturen; doch sobald die Sonne untergegangen war, empfahl es sich, nicht ohne Schal ins Freie zu gehen.
    Blair saß neben Lee und sog die frische, aromatische Bergluft tief in ihre Lungen. Sie hatte gar nicht gewußt, wie sehr sie dieses Gebirgsklima entbehrt hatte.
    Sie waren noch keine halbe Meile weit gefahren, als ein Mann auf einem keuchenden Pferd in einer Staubwolke auf sie zusprengte und rief: »Westfield, da braucht jemand Ihre Hilfe. Eine Frau an der River Street hat gerade versucht, sich das Leben zu nehmen!«
    Blair hatte diesen Mann noch nie zuvor gesehen. Sie hoffte, sie sah ihn jetzt auch zum letztenmal. Er glich der Karrikatur eines Spielers mit seinen pechschwarzen Haaren, dem dünnen Oberlippenbärtchen und — was sie am meisten abschreckte — seinen unverschämten Blicken, die ihr das Blut ins Gesicht trieben.
    Er nahm seinen breitkrempigen Hut ab und deutete damit in ihre Richtung. »Vielleicht haben Sie aber gerade einen wichtigeren Fall und können nicht kommen. Ich könnte das verstehen.«
    Blair blickte zu Lee hoch und sah sein unschlüssiges Gesicht. Sie wußte, daß er ihretwegen zögerte. »Ich werde dich begleiten, Lee. Vielleicht kann ich dir irgendwie behilflich sein.«
    Der Fremde — ob nun ein Spieler oder nicht — sagte: »Die River Street ist kein passender Ort für Damen. Vielleicht nehme ich sie so lange in meine Obhut, bis Sie die Selbstmörderin verarztet haben.«
    Das gab wohl den Ausschlag, daß Lee die Peitsche über dem Kopf des Pferdes knallen ließ und rief: »Halt dich fest!«
    Blair flog gegen die Rückenlehne der Sitzbank und klammerte sich an das Verdeck, während das Pferd die Straße hinunterjagte. Sie schloß ein paarmal entsetzt die Augen, als Lee nur mit knapper Not einem Zusammenstoß mit anderen Fuhrwerken entging. Die Leute wichen schon aus, wenn sie ihn von weitem kommen sahen, und aus den ermunternden Zurufen, die ihnen hin und wieder entgegenschlugen, schloß Blair, daß ein durch die Straßen jagender Leander für die Bewohner von Chandler ein vertrauter Anblick war.
    Er hielt sein Pferd im nordöstlichen Winkel der Stadt an — auf der anderen Seite des Tijeras-Flusses zwischen zwei Eisenbahngeleisen —, wo Blair noch nie gewesen war und wohin es sie auch nie gezogen hatte. Mit einer fließenden Bewegung band er das Pferd fest, nahm seine Ärztetasche und sprang hinunter auf den Boden; dann befahl er Blair, in der Kutsche zu bleiben.
    Nach einem schnellen Blick auf das grinsende Gesicht des Spielers folgte sie Lee in das Haus mit der roten Laterne davor. Leander lief die Treppe hinauf, als wüßte er genau, wohin er gehen mußte; doch Blair konnte nicht umhin, erst einmal einen Blick um sich zu werfen.
    Alles schien von roter Farbe zu sein: die Wände, die Teppiche und die Polster mit den langen Fransen an den Säumen. Und was nicht rot war, bestand aus sehr dunklem Holz.
    Am Kopfende der Treppe sah sie eine dichtgedrängte Schar mehr oder weniger spärlich bekleideter Frauen; und als Blair bei ihnen anlangte, begannen sie alle, sich von einer offenen Türe zurückzuziehen.
    »Ich sagte euch doch, daß ich Hilfe brauche!« hörte Blair Lee rufen, während sie sich durch die Menge schob.
    Lee blickte zu ihr hoch. »Du solltest doch in der Kutsche bleiben!« Vor ihm auf dem Bett lag eine blasse, dünne junge Frau — fast noch ein Mädchen —, die sich vor Schmerzen krümmte. Sie mußte ein Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis geschluckt

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