Herz-Dame
hatte, die Herz-Dame zu bekommen.« Erneut warf sie ihrer Freundin einen vorwurfsvollen Blick zu, und fuhr fort: »Wir haben uns unterhalten, ich habe noch ein paar Cocktails getrunken, und irgendwann bin ich mit ihm zusammen aus der Bar gegangen …« Sie stockte.
»Was dann?«, fragte Sheila ungeduldig.
»Nichts weiter. Am anderen Morgen bin ich in meiner Unterwäsche neben ihm aufgewacht, und das war‘s.«
»Und – er muss doch irgendetwas zu dir gesagt haben?«
Grace schüttelte den Kopf. »Ich bin abgehauen, bevor er aufgewacht ist«, erklärte sie, »ich habe mich so geschämt, ich wollte nur noch da weg.«
»Mein Gott Gracie«, seufzte Sheila, »Das kann doch alles nicht wahr sein. So ein toller Typ, und du besäufst dich dermaßen, dass du nichts mitbekommst.«
»Als ob das noch wichtig wäre«, fuhr Grace sie an, »Sag mir lieber was ich jetzt machen soll.« »Nichts. Du wolltest diesen Job, du hast ihn bekommen, also bleib dort und vergiss alles andere. Wenn ich dich richtig verstanden habe, ist dieser Dylan weder dein Chef, noch musst du mit ihm zusammenarbeiten – also brauchst du dir doch gar keine Gedanken zu machen. Geh ihm einfach aus dem Weg, und alles ist gut.«
Obwohl Grace mit der Situation alles andere als zufrieden war, beschloss sie, zunächst auf Sheilas Rat zu hören, und zu versuchen, sich auf ihren Job zu konzentrieren und jeglichen Kontakt mit Dylan Taylor zu vermeiden.
Zwei Wochen vergingen, und es schien wirklich so, als hätte die Freundin recht gehabt.
Grace bekam Dylan nicht zu Gesicht; zwar sah sie ihn ein paar Mal von weitem, wenn er Justin in seinem Büro aufsuchte, aber er beachtete sie nicht, und sie war mehr als froh darüber. Tatsächlich gelang es ihr allmählich, jeglichen Gedanken an diese unglückselige Begebenheit in der Bar in den hintersten Winkel ihres Gedächtnisses zu verbannen, und sie begann langsam, sich zu entspannen.
Die übrigen Kolleginnen und Kollegen waren nett und hilfsbereit, und nach und nach arbeitete sie sich ein wenig ein.
Zwar waren das Beantworten von Leserbriefen und das Schreiben von Artikeln für Rubriken wie »Ratgeber«, »Mode« oder »Fragen sie Dr. Herbst« nicht gerade das, was sie sich vorgestellt hatte, aber ihr war klar, dass sie am untersten Ende der Leiter anfangen musste.
Gewissenhaft und sorgfältig erledigte sie ihre Arbeit, und Justin Gray war mehr als zufrieden.
Es war an einem Nachmittag gegen Ende ihrer dritten Woche im Verlag, als Justin sie in sein Büro bat.
»Setz dich«, forderte er sie auf, nachdem sie eingetreten war.
Inzwischen duzten sie sich, genau wie alle anderen Kollegen auch; in der hektischen Betriebsamkeit einer Redaktion blieb keine Zeit für die üblichen, höflichen Konventionen.
Gespannt nahm Grace auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz, während sie sich fragte, was er von ihr wollen könnte.
»Also zunächst mal möchte ich dir ein Lob aussprechen, du leistest wirklich sehr gute Arbeit«, begann er das Gespräch, »und ich muss sagen, dass dein Talent hier für diesen Kleinkram absolut verschwendet ist.«
Überrascht hob Grace die Augenbrauen, wartete unruhig darauf, was als Nächstes kommen würde.
»Obwohl du erst kurz hier bist, denke ich, dass du die Chance haben solltest, etwas Anspruchsvolleres zu tun, und daher wirst du ab Montag in der Lokalredaktion arbeiten.«
»Lokalredaktion …«, wiederholte sie ungläubig, und Justin nickte.
»Ja, dort herrscht momentan ein ziemlicher Mangel an Leuten, und ich denke, das ist eine gute Gelegenheit für dich, richtig einzusteigen.«
Grace war zu verblüfft um etwas zu erwidern, sie hatte nicht damit gerechnet, bereits nach so kurzer Zeit in ein interessanteres Ressort zu kommen.
Als er den kritischen Ausdruck in ihrem Gesicht bemerkte, fügte er hinzu: »Außerdem wirst du dort auch ein bisschen mehr verdienen, ich denke, das ist ein angenehmer Nebeneffekt. Also wenn du einverstanden bist, gebe ich Bescheid, dass du am Montag drüben anfängst.«
»Ja, sicher bin ich einverstanden«, nickte Grace glücklich, »Vielen Dank.«
»Dann einen schönen Feierabend«, wünschte er ihr.
Sie verabschiedeten sich voneinander, und Grace ging hinaus, bemerkte in ihrer Freude nicht, dass Justin ihr nachdenklich hinterher schaute.
Obwohl Grace das Gefühl hatte, dass die Zeit überhaupt nicht herumgehen wollte, war doch endlich der Montag da, und ein wenig nervös betrat sie das Verlagsgebäude.
Die Räume der Lokalredaktion lagen ebenfalls in der zweiten
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