Herz des Himmels (German Edition)
schuldig?“, fragte er und es klang so, als hätten sie nur einen Händedruck getauscht und sich nicht fast eine Minute lange vor Kaithlyns Augen geküsst. Sie fühlte sich schrecklich elend und ihr Herz krampfte sich innerlich vor Unverständnis zusammen.
„Ich habe die Person, die mir am meisten etwas bedeutet schon gefunden.“
Während Fye sprach sah er Kaithlyn an. Plötzlich fühlte sie sich als müsse sie ersticken. Das Gefühl von zuvor veränderte sich. Wurde zu Ratlosigkeit. Die Frage danach, was Fye ihr bedeutete, verursachte ihr Kopfschmerzen. Melora stierte wütend zu Fye, dann holte sie aus und gab ihm eine Ohrfeige.
„Du bist ein Lügner! Von wegen ich bedeute dir etwas. Du hast dein ganzes Herz an sie gehangen!“
Kaithlyn senkte den Blick und ging. Den Flur entlang, zurück, durch den Gemäldesaal, durch eine weitere Halle, bis sie endlich draußen war. Flucht war in diesem Fall nicht die ideale Lösung gewesen. Das wusste sie, aber es fühlte sich besser an, als noch länger dort zu bleiben.
Regen peitschte ihr ins Gesicht und sie wurde augenblicklich pitschnass, aber es war auch beruhigend, es kühlte ihren hitzigen Verstand ab. Sie spürte die Kälte, die sich an das Ertrinken erinnerte, aber das war besser, viel besser. Dieses Gefühl konnte sie wenigstens beschreiben.
Der Wind ging schnell. Er verhalf dem Wasser zu Geschwindigkeiten in der Form eines kleinen Orkans. Sie hörte das Rauschen der tanzenden Bäume und ein paar Blätter hefteten sich an ihre Kleider. Sie schloss die Augen und lauschte den unbändigen Schritten, die durch die Pfützen stürmten, um schnell ins Trockene zu kommen und den kreischenden Mädchenstimmen die lauthals fluchten.
Das Hämmern des Regens war ihre Melodie.
Harlow lehnte den Kopf an ihr linkes Bein. „Geht es dir gut?“, fragte Harlow summend. Ihre Stimme röhrte durch die prasselnde Laute. Kaithlyns Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen.
„Mehr als das!“
Der Regen schien fast aufgehört zu haben. „Ich liebe den Geruch nach dem Regen“, sagte Kaithlyn und blinzelte gegen die Lichtstrahlen an, die durch die Wolkendecke brachen. „Er ist so klar und ernüchternd, wie der Duft von Freiheit.“ Harlow betrachtete sie schweigend.
Kurz darauf bekam sie eine Botschaft von Garu. Sie wusste nun, wo er zu finden war. Kaithlyn umging geschickt alle Pfützen und stürmte voller Elan auf die Bibliothek zu. Im Inneren war es totenstill. Kein einziger Schüler war hier, noch nicht einmal die Bibliothekarin oder Mr Long, der hier des Öfteren herumschlich. Niemand. Alles war aufgeräumt, jedes Buch stand an seinem Platz und jeder Stuhl war ordentlich an den Tisch geschoben. Die Luft hier drin war stickig, weil alle Fenster geschlossen waren und der Regen glitzerte an den nassen Scheiben wie Diamanten. Die altmodischen Glaslampen, die an den Wänden angebracht waren liefen auf Sparflamme und die meisten waren ganz erloschen. Kaithlyn sah gerade einmal genug, um den Möbeln ausweichen zu können und tastete sich durchs Halbdunkle hinüber zu dem großen Flur, der heller beleuchtet war. Langsam und lautlos ging sie voran und blieb vor einer großen Flügeltür stehen.
„Hier?“, fragte sie und Harlow nickte.
„Sein Geruch ist hier am stärksten.“
Es wurde allmählich dunkel draußen und sie hatte sich noch mit Irina wegen des Pedimentelwappens verabredet. Wahrscheinlich müsste sie Irina versetzten. Kaithlyn lauschte angestrengt auf Geräusche oder Stimmen und beugte sich näher an die dicke Eichentür. Die unnatürliche Stille breitete sich weiter aus. Wenn ihre Sinne sie nicht täuschten, war das genau der Ort, zu dem sie hatte kommen sollen. Wo war er? Wie konnte es sein, dass nirgends auch nur eine Laut zu ihr durchdrang? Kaithlyn fasste sich ein Herz und drückte die Klinke, genauso schnell schlug sie die Tür hinter sich wieder zu, aus Angst, jemand würde sie sofort wieder rausschmeißen.
Sie sah in das blasse und fahle Gesicht einer sehr, sehr alten Frau. Sie war so alt, dass ihre faltige Haut wie ein dünnes Spinnennetz aussah, das jeden Moment zu zerreißen drohte. Ihre Haut schimmerte so leichenblass, dass sie schon fast durchsichtig erschien. Die Frau war klein und ging in gebückter Haltung einen Schritt vorwärts. Sie streckte ihre krumme, langfingrige Hand aus, um eine Strähne ihres weißblonden Haares wieder in ihren streng gebunden Haarknoten zu zwirbeln und rückte ihre Haarnadel zurecht, an deren Ende große, glänzende Perlen
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