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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN
Autoren: Unbekannter Autor
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werden, die er für eine Dirne hielt. Allein, inzwischen hatte sie fast den Eindruck, er fände sich damit ab.
    »Kommt«, murmelte er nun gedämpft und führte sie die wenigen Schritte vor den Priester, der ungerührt vom Widerstreben des Brautpaares das christliche Ritual der Trauung vollzog.
    Roselynne bestätigte tonlos, dass sie gewillt war, den Ritter aus freiem Willen zu ihrem Gemahl zu nehmen und bis zu ihrem Tode zu lieben und zu ehren. Justin d'Amonceux bekräftigte diese Tatsache mit der Stimme eines Mannes, der keine Lust hatte, die Sache noch länger hinauszuzögern. Es folgten die Worte des Segens und die herzlichen Glückwünsche der Äbtissin.
    Immer noch betäubt von der Kürze und Schnelligkeit des endgültigen Aktes, starrte sie wenig später auf die offizielle Urkunde, die Justin in der Sakristei mit kühnem Federstrich Unterzeichnete. Weder seine Unterschrift noch die des Barons und der Mutter Äbtissin als Zeugen machten die gespenstischen Ereignisse für sie glaubhafter. Als er ihr das Pergament überreichen wollte, schüttelte sie stumm den Kopf und wich vor ihm zurück. Er reichte es mit einem matten Achselzucken an Ryan of Hythe weiter.
    »Mehr kann ich Euch nicht bieten, Baron«, sagte er zynisch. »Ihr habt jetzt alles. Meine Ehre, mein Vermögen, meine ehemalige Braut, meine Gemahlin und meine Zukunft. Die Götter meinen es gut mit Euch, Aylesbury!«
    Roselynne sah, dass Ryan zusammenzuckte, als wäre er geschlagen worden. Einen Moment lang vergaß sie, dass sie ihm zürnte. Anscheinend war auch er der unleugbaren Anziehungskraft erlegen, die Justin d'Amonceux in seiner Vielschichtigkeit auf Männer wie Frauen ausübte und hatte sich Freundschaft statt Verachtung erhofft. Im Gegensatz zu ihm wusste sie jedoch mittlerweile, dass Justin nicht aus seiner Haut konnte.
    »Lasst Euch nicht herausfordern«, mischte sie sich ein, ehe Ryan das Falsche sagte. »Monsieur liebt es, mit vergifteten Pfeilen zu schießen. Er fühlt sich wohler, wenn man ihn hasst.«
    »Welch kluge Gemahlin mir der Himmel doch geschenkt hat«, parierte Justin auch diese Spitze mit blankem Hohn.
    Inzwischen hatte der Baron seine Fassung wieder gewonnen und bedachte den Grafen mit einem Blick, in dem sich überraschendes Verständnis und eine Spur von Mitgefühl mischten. »Hass ist wie Tod. Er hinterlässt verbrannte Erde und kalte Herzen. Ich habe aufgehört zu hassen. Ihr solltet es auch tun.«
    Dieses Mal war es der Graf, der vor Scham errötete. Die Narbe glühte, als besäße sie ein eigenes Leben. Roselynne musste an sich halten, nicht von neuem mit den Fingerspitzen das Mal zu berühren, das ihn so zeichnete und veränderte. Einen Atemzug später legte sich die Röte indes schon wieder und ließ ein marmorblasses, wie gemeißelt wirkendes Gesicht zurück, in dem sogar die Verletzung nur ein rosa Strich zu sein schien.
    »Ich bewundere Eure Klugheit«, erwiderte er völlig leidenschaftslos. »Ebenso wie Eure Fähigkeit, die Euren zu lieben und zu schützen. Ich vertraue Euch meine Gemahlin an. Lebt wohl, Roselynne d'Amonceux!«
    Er verneigte sich vor Roselynne. Ehe sie begriff, dass dies tatsächlich ein Abschied für immer sein sollte, verließ er in langen, eiligen Schritten die Sakristei. Ihr Seufzer mischte sich mit dem widerhallenden Schlag der zugefallenen Tür. Sie schwankte, und das Gewölbe der Sakristei verschwamm vor ihren brennenden Augen.
    In der jähen Stille klapperten die Perlen des Rosenkranzes, den Mutter Laurentine ruhelos durch die Finger gleiten ließ. Roselynne schloss die Lider und ließ sich in die brüderliche Umarmung ihres besorgten Schwagers fallen. Sie legte die Stirn gegen seine breite Schulter und wehrte sich nicht länger gegen die Tränen, die unter ihren Lidern hervorquollen. Das also war ihr Hochzeitstag.
    Ryan of Hythe begann zu fluchen. Anhaltend, erbittert, wortreich und derb. Dass er es glücklicherweise in seiner sächsischen Muttersprache tat, ersparte ihm wenigstens eine Rüge der Äbtissin.
    »Gleich sind wir zu Hause. Siehst du, dort vorne kann man schon die Türme von Rouen sehen!«
    Die heisere Stimme ihres Schwagers verriet den geschluckten Staub der Straße, und Roselynne ersparte es sich, die Bemerkung zu kommentieren. Sie wollte weder Rouen noch seine vermaledeiten Türme sehen. Sie zürnte dem Baron noch immer, dass er sie wie ein Warenbündel von einem Ort zum anderen schleppte.
    »Warum kann ich nicht im Kloster bleiben, um Himmels willen?«, hatte sie gefragt,
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