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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN
Autoren: Unbekannter Autor
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völlig unverhofft, dass sie den Kopf von seiner Schulter nahm, die Lider öffnete und ihn direkt ansah. Todtraurige, veilchenfarbene Augen in einem stillen Gesicht.
    »Wie kannst du mich lieben? Ich geh dir auf die Nerven. Du findest mich närrisch, dickköpfig und würdest ruhiger leben, wenn es mich nicht gäbe.«
    »Ich würde auch ohne Sophia und meine Kinder ruhiger leben, aber ich wäre ein trauriger Tropf ohne sie. Du gehörst zu meiner Familie, und ich liebe diese Familie. Ich danke dem Himmel, dass ich sie gefunden habe.«
    »Niemand verlangt diese Liebe von dir. Ich schon gar nicht!«
    »Dumme Gans! Liebe ist ein Geschenk, das man nicht ablehnt, von wem sie auch kommt. Ich hätte gedacht, dass du inzwischen erwachsen bist.«
    Ryan of Hythe hatte keine Skrupel, seiner Reisegefährtin den Kopf zurechtzurücken, und Roselynne akzeptierte die Rüge mit einem leisen Seufzer.
    »Ich habe nie wirklich geglaubt, dass mich irgendjemand um meiner selbst Willen lieben könnte, weißt du das?«, rutschten ihr die Worte heraus, bevor sie darüber nachdachte. »Sicher, mir war klar, dass meine Eltern mich mochten, aber eigentlich war es immer Sophia-Rose, die im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand. Vaters Herzblatt, Mutters Älteste, Großmamas Sonnenschein. Ich habe versucht, meine Eifersucht zu verbergen, aber sie war trotzdem da und hat alles verdorben. Ich bin herzlos und egoistisch, ich verdiene es nicht, dass man mich liebt.«
    Der Schmerz in ihrer Stimme verlieh ihrem Geständnis eine Ehrlichkeit, die Ryan of Hythe unerwartet mitten ins Herz traf.
    »Dummes Gänschen«, murmelte er und dieses Mal hörte es sich ganz anders an. »Hättest du mitbekommen, wie sich alle Welt um dich gesorgt hat, würdest du nicht mehr am Maß der Liebe zweifeln, die man dir entgegen bringt. Du musst doch nicht wie deine Schwester sein, damit man dich liebt.«
    »Bist du dir dessen sicher?«
    Das herzzerreißende Misstrauen ihrer Frage sorgte dafür, dass Ryan of Hythe die nächsten Worte sorgsam wählte. »Weißt du nicht, dass man jeden Menschen auf eine andere Art liebt? Wie wäre es sonst möglich, dass ich Sophia-Rose liebe und meine Kinder und die Brut in Hawkstone? Hörst du denn auf, diesen sturen Normannen zu lieben, nur weil du dein Herz auch dem Kind schenkst, das in dir wächst? Glaub mir, Liebe vermehrt sich aus sich selbst. Je mehr du empfindest, umso mehr davon kannst du verschenken.«
    Roselynne sah in blankem Erstaunen in die blauen Augen des Sachsen. Ausgerechnet von diesem unerschütterlichen Krieger eine solche Lektion zu erhalten verschlug ihr die Sprache. Sie schwieg, bis sie das Stadttor erreichten. Aber Ryan kam es vor, als hätte sich die Verkrampfung ihrer zierlichen Schultern dennoch eine Spur gelockert.

25. Kapitel
    Schwüle Hitze lag wie eine Glocke über der Stadt. Auch nach Sonnenuntergang brach einem bei jeder Bewegung der Schweiß aus, und alle Welt wünschte das Gewitter herbei, das in der Luft lag, aber immer noch auf sich warten ließ. Justin d'Amonceux stürzte den letzten Rest des schalen Weines aus dem beschlagenen Tonkrug hinunter und warf dem Wirt der Schänke eine Kupfermünze auf den Tisch. Dann erhob er sich, drängte sich zwischen den anderen Zechern hindurch und trat auf die Gasse hinaus.
    Seine Füße schlugen wie von selbst den Weg ein, den sie in den vergangenen beiden Wochen im Dunkel der Nacht immer wieder gegangen waren. Er sollte längst fort sein, und wenn er einem bekannten Gesicht über den Weg liefe, würde er Schwierigkeiten bekommen. Und dennoch, er brachte es nicht fertig, seinen Mantelsack über den Sattel seines Streitrosses zu legen und die Stadt zu verlassen, wie es Jacques täglich dringender anriet.
    Es eilte ihm plötzlich nicht mehr damit, sein Leben fortzuwerfen. Zumindest so lange nicht, wie sie in der Stadt weilte. Er kannte das prächtige Haus im Schatten der Kathedrale, in dem sie jetzt wohnte. Oft genug war er in seinen Mauern gewesen, um mit Dame Elisabetta zu plaudern, Schach zu spielen oder zu politisieren. Nachgerade war er dort sogar öfter zu Gast gewesen als in der Burg des Herzogs. Dennoch hatte das Anwesen niemals eine so magische Anziehungskraft auf ihn gehabt wie in diesen Tagen.
    Seit Jacques ihn mit der Nachricht aufgeschreckt hatte, dass Ryan of Hythe seine Schwägerin nach Rouen gebracht hatte, fand er den Weg wie in Trance. Irgendwann musste sie doch einmal zum Vorschein kommen und ihre klösterliche Zurückgezogenheit aufgeben. Sie trug den
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