Herz im Spiel
helfen können, aber Mr Brewster ist nun beinahe zwei Wochen fort, und ich mache mir große Sorgen. Sie und Bernie sind so gute Freunde, dass ich dachte, vielleicht wüssten Sie, was ihn so lange in London aufhalten könnte, ohne mir ein Wort der Erklärung zu senden. Womöglich bin ich ja nur nervös wegen meiner bevorstehenden Hochzeit. Das hoffe ich jedenfalls. Aber ich wäre Ihnen dankbar für jedes tröstliche Wort, eine Aufklärung oder einen Rat. Antworten Sie mir sobald wie möglich, denn ich bin in heller Aufregung, weil ich keine Ahnung habe, wo mein lieber Bernie steckt .
Herzlichst, Rachel Tamberlay .
Marianne las den Brief mehrere Male. Sie selbst hätte Rachel Tamberlay fast den gleichen Brief schreiben können. Was konnte das zu bedeuten haben? Die Umstände von Brewsters und Desmonds Verschwinden ähnelten sich zu sehr, um auf einem Zufall zu beruhen.
Während Marianne noch dasaß und über den Inhalt des Briefes grübelte, klopfte jemand an die Vordertür, und Mrs River ging eilig, um zu öffnen. Nach der Stimme der Haushälterin zu urteilen, war sie erstaunt, schien den Besucher aber zu kennen.
Wenig später erschien Mrs River an der Tür der Bibliothek, trat dann beiseite und stieß die Tür weiter auf. Eine gut aussehende Frau von ruhiger, selbstsicherer Ausstrahlung betrat den Raum. Sie mochte um die fünfzig Jahre alt sein.
„Sie müssen Miss Trenton sein“, sagte die Frau, trat auf Marianne zu und reichte ihr die Hand. „Ich bin Mrs Desmond, Peters Mutter.“
„Mrs Desmond?“, fragte Marianne unsicher. „Ich fühle mich geehrt … und überrascht.“ Kurz schüttelte sie der Dame die Hand und fuhr dann fort: „Ihr Sohn ist nicht hier.“ Sie klang verlegen, als sei sie irgendwie schuld daran, dass Mr Desmond nicht da war und seine Mutter die Reise umsonst gemacht hatte. „Ganz bestimmt hat Mr Desmond Sie nicht erwartet, sonst wäre er doch nicht weggefahren.“
„Nein, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er mit mir gerechnet hat. Seit Peter Kingsbrook übernommen hat, bin ich nicht mehr hier gewesen. Peter und sein Vater hatten … gewisse Differenzen, obwohl ich zu hoffen begonnen hatte …“ Verunsichert unterbrach Mrs Desmond sich einen Moment. Marianne dachte, dass dies bei ihr wohl nicht oft vorkam.
„Wissen Sie, wo Mr Desmond … Peter … sich jetzt aufhält?“, fragte Marianne hoffnungsvoll.Vielleicht konnte seine Mutter ihr Aufklärung geben, obwohl sie sich eingestehen musste, dass Mrs Desmond ihrerseits zu einigen Fragen über sie und ihren Sohn berechtigt war.
Als Mutter hatte Mrs Desmond tatsächlich moralische Vorbehalte gegen das Zusammenleben ihres Sohnes mit dieser jungen Frau, von der er behauptete, sie sei sein Mündel. Doch sie stellte ihre Fragen und jeden Vorwurf zurück, jedenfalls für den Augenblick. „Sie wissen also nichts?“, meinte sie stattdessen. „Ich hatte erwartet, hatte gehofft, Sie hätten … er hätte …“ Wieder kam Mrs Desmond ins Stocken und unterbrach sich beunruhigt. „Es ist nur so, dass Miss Morley jetzt schon einen Monat bei uns ist, und Peter hat uns keine Nachricht von ihren Angehörigen geschickt oder uns mitgeteilt, was wir mit ihr anfangen sollen. Ich habe an die Adresse in Reading geschrieben, über die wir in Verbindung gewesen waren, habe aber seit über zwei Wochen keine Antwort erhalten.“
„Miss Morley?“, fragte Marianne verblüfft.
Mrs Desmond war im Moment zu besorgt, um sich über die offensichtlich unbewusste Eifersucht des Mädchens zu amüsieren.
„Miss Helen Morley, eine der jungen Damen, denen mein Sohn geholfen hat“, erklärte sie.
„Sie wissen von den Mädchen, mit denen Ihr Sohn zu tun hat?“, fragte Marianne ungläubig. Sicher, Desmond hatte nie viel von seinen Eltern erzählt, sodass Marianne sich nur einen vagen Eindruck von ihnen hatte bilden können. Aber nachdem sie Mrs Desmond persönlich kennengelernt hatte, konnte sie nicht glauben, dass diese ehrbare Dame solche schurkischen Taten dulden würde.
„Gewiss doch. Jedenfalls, seit er mich brieflich um Hilfe gebeten hat“, meinte Mrs Desmond.
Marianne blickte sie entgeistert an. Ungläubig riss sie die Augen auf. „Sie haben Mr Desmond geholfen ?“, fragte sie endlich.
„Ich tue, was ich kann“, erwiderte Mrs Desmond. „Natürlich ist Peter der führende Kopf bei der ganzen Aktion. Ich stelle nur die Unterkunft für die Mädchen, bis jemand sie holen kommt.“
Marianne sank auf den Diwan, und Mrs Desmond setzte sich
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