Herz in Gefahr
ihr Mrs Aveton ihre Missbilligung mit.
“Muss ich es dir wieder sagen?”, rief sie. “Du hast nicht einmal die Hälfte der Dinge auf deiner Liste eingekauft. Meine Geduld ist am Ende, Judith. Wir werden erst dann wieder Frieden in diesem Haushalt haben, wenn du endlich verheiratet und fort von hier bist.”
“Muss ich wieder in die Bond Street gehen, Ma’am?”, fragte sie hoffnungsvoll. Sie begrüßte jede Gelegenheit, das Haus zu verlassen.
“Ich sehe keinen anderen Weg, wie du deine Besorgungen erledigen kannst”, kam die sarkastische Antwort.
“Und darf ich die Kutsche nehmen?”
“Warum nicht? Wenigstens wirst du dann schneller zurück sein als das letzte Mal. Du musst wirklich deine Neigung zum Trödeln zügeln, Judith. Sie kann deinem Gatten nicht gefallen.”
Judith spürte einen rebellischen Funken in sich aufsprühen. Sollte von jetzt an alles, was sie tat, nur zu diesem einen lobenswerten Zweck geschehen? Sie presste die Lippen zusammen, sagte aber nichts.
Mit Bessie im Schlepptau beeilte sie sich mit ihren Einkäufen. Und als sie endlich fertig war und auf die Uhr in der Bond Street schaute, hatte sie noch mindestens eine Stunde herrlicher Freiheit vor sich, bevor ihre Abwesenheit bemerkt wurde. Es war eine bittere Enttäuschung für sie, als sie in der Mount Street vorsprach und entdeckte, dass Peregrine und Elizabeth nicht zu Hause waren und man Prudence geraten hatte, den ganzen Nachmittag zu ruhen.
“Lord Wentworth empfängt Sie gern, Ma’am. Im Augenblick spricht er mit dem Arzt, aber wenn Sie warten wollen …”
Judith schüttelte den Kopf. “Ich möchte ihn nicht stören. Bitte richten Sie meine Grüße aus. Ich schaue zu einem günstigeren Zeitpunkt wieder vorbei.”
Sie wandte sich schon ab, da kam Dan aus der Bibliothek und eilte auf sie zu. “Ich dachte mir doch, dass ich deine Stimme gehört habe. Judith, lauf nicht fort. Komm und sprich mit mir.”
Sie zögerte, aber er lächelte sie aufmunternd an. “Keine Sorge! Ich habe vor, mein Wort zu halten. Ich werde nichts äußern, das dich betrüben könnte.”
Er hatte beunruhigende Neuigkeiten, aber Sebastian hatte darauf bestanden, dass er sie unbedingt für sich behalten musste. Der Bow Street Runner war Reverend Truscott zu seinem Ziel in der Rookery gefolgt. Sobald der Priester gegangen war, hatte der Runner unter dem Vorwand an die Tür geklopft, einen bekannten Hehler zu suchen. Der Mann, der ihm aufmachte, schickte ihn fort, ohne Verdacht zu schöpfen. Der Runner hatte sich zurückgezogen, und als der selbe Mann die Hütte mit einer Frau an jedem Arm verließ, folgte er unauffällig und betrat hinter ihnen ein schmuddeliges Wirtshaus.
Sie achteten nicht auf ihn, da war er sicher. Immerhin hatte der Mann selbst ihm geraten, in dieser Wirtschaft seinen angeblichen finsteren Geschäften nachzugehen. Mit einem freundlichen Lächeln setzte er sich nicht weit von dem schäbigen Trio an einen Tisch und erhielt ein kurzes Nicken des Wiedererkennens. Er hatte gehofft, sie in ein Gespräch ziehen zu können, aber die ältere Frau stritt sich bereits mit dem Besitzer.
“Kein Kredit mehr, Nellie. Wenn du kein’ Zaster hast, kriegst du von mir nichts.”
“Halt doch die Klappe!” Die Frau knallte eine Münze auf die Theke. “Davon gibt’s noch sehr viel mehr. Und jetzt gib mir eine Flasche!”
Der Mann biss in die Münze und stieß einen überraschten Pfiff aus. “Bist zu Geld gekommen, was? Wo ist die Leiche?”
Die Frau ignorierte ihn. Sie griff nach der Flasche und kehrte zu ihren Begleitern zurück. Zu dritt leerten sie sie schnell und kauften eine zweite.
Der Runner wartete. Bei der Art, wie sie tranken, würden sie recht bald zu plaudern anfangen. Aber er hatte ihr Fassungsvermögen unterschätzt, obwohl die Ältere schon beim Betreten des Gasthauses alles andere als nüchtern gewesen war. Sie hatten die dritte Flasche schon zur Hälfte ausgetrunken, bevor sie sich den Mund wischte und hilflos zu kichern anfing.
“Ihr hätt’ sein Gesicht seh’n soll’n!”, rief sie. “War ja so erhaben, der Herr, aber jetzt ham wir ihn.”
“Und nicht zu früh!”, stimmte der Mann zu. “Der Teufel hat dich übel behandelt.”
Der Runner runzelte verwundert die Stirn. Wenn die Frau jünger gewesen wäre, hätte er den offensichtlichen Schluss gezogen, aber dieses heruntergekommene Geschöpf musste über sechzig sein. Er betrachtete sie eingehender. Irgendetwas an ihren Zügen kam ihm bekannt vor – die Nase
Weitere Kostenlose Bücher