Herz in Gefahr
mir später eine Standpauke gehalten. Du bist bei mir geblieben, als die anderen weitergingen. Warum hast du das getan?”
“Du hast mich nicht gestört”, meinte sie verlegen. “Du hast mich meinen Gedanken überlassen. Ich fühlte mich nicht verpflichtet, mit dir zu reden.”
Dan verzog das Gesicht. “Du musst mich für einen fürchterlichen Langweiler gehalten haben, der sich nur für seine Angelegenheiten interessiert. Perry sagte mir, dass ich dich wenigstens in ein Gespräch hätte verwickeln können.”
“Das war nicht nötig. Die Stille war so angenehm.” Sie hielt ihm die Hand hin. “Ich glaube, ich muss jetzt gehen.”
“Noch nicht!” Er nahm ihre Hand, ließ sie aber nicht los. “Darf ich dir zeigen, woran ich im Augenblick arbeite?”
Judith geriet in große Versuchung. Sie hatte noch viel Zeit, bevor sie nach Hause gehen musste, und als Dan einen Stuhl für sie heranzog, setzte sie sich neben ihn und betrachtete noch einmal seine Zeichnungen. Es gab viel, das sie nicht verstand, aber ihre Fragen waren intelligent und vernünftig. Von ihrem Interesse angespornt, erläuterte er eifrig sein Lieblingsthema. Zu seiner Freude verlor Judith nach einer Weile jede Nervosität, und der angespannte Ausdruck auf ihrem Gesicht verschwand.
Als die Uhr fünf schlug, sprang sie entsetzt auf.
“Du meine Güte! Ich bin so lange hier”, rief sie. “Willst du Prudence und Elizabeth bitte meine Grüße bestellen?” Sie stand auf, um zu gehen, doch als er ihr ein strahlendes Lächeln schenkte, setzte ihr Herz einen Schlag aus.
“Du hast mich dazu ermutigt, egoistisch zu sein”, tadelte er sie freundlich. “Ich habe eine ganze Stunde lang nur über mich und meine Angelegenheiten gesprochen, und du hast mir nichts von dir erzählt.”
Judith erwiderte sein Lächeln. “Ich bin ja auch nicht zu Wort gekommen”, neckte sie ihn.
“Aber du schreibst doch noch? Sind es immer noch kurze Stücke?”
Judith zögerte. “Nein …”
“Was dann?” Dans Augen blitzten begeistert auf. “Judith, hast du endlich mit einem Roman begonnen? Du wolltest schon immer einen schreiben.”
Sie errötete. “Ich weiß nicht, ob er gut ist.”
“Aber das ist ja wunderbar!”
“Es ist wahrscheinlich vollkommen trivial.”
“Nein, das glaube ich nicht. Nichts an dir ist trivial. Wie viel hast du schon geschrieben?”
“Nur einige Kapitel. Vielleicht verschwende ich nur meine Zeit. Ich fürchte, ich bin nicht der beste Kritiker für mein Werk.”
“Dann erlaube mir, es mir anzusehen.”
Sie errötete vor Freude. “Ich würde mich sehr über eine andere Meinung freuen”, gab sie zu. “Du hast früher immer mein Geschreibsel gelesen, und ich fand deine Kommentare sehr hilfreich.”
“Dann ist es abgemacht. Wann kannst du das Manuskript bringen?”
“Ich weiß nicht.” Judith Miene bewölkte sich. “Ich habe … Verpflichtungen …”
“Ach ja, ich verstehe.” Dan klang plötzlich ziemlich förmlich, und zum ersten Mal breitete sich ein Schweigen zwischen ihnen aus. Beide dachten an Judiths bevorstehende Heirat.
Judith fand die angespannte Stille unerträglich. Sie streckte noch einmal die Hand aus, um sich zu verabschieden.
“Zu spät!” erklang eine fröhliche Stimme. “Wir haben dich ertappt, und wir lassen dich nicht gehen.” Elizabeth kam ins Zimmer gerauscht, begleitet von einer Gruppe lebhaft plappernder Kinder.
Judith musste trotz ihres Kummers lächeln, als Sebastians drei Jungen sich höflich vor ihr verbeugten. Sie warteten offensichtlich voller Ungeduld darauf, zu Dan gehen zu dürfen. Danach kam Peregrine herein, seine ältere Tochter an der Hand und die jüngere auf dem Arm. Er beeilte sich, den ängstlichen Hauslehrer und das Kindermädchen fortzuschicken.
“Gehen Sie ruhig und lassen Sie die Kinder hier”, ordnete er an. “Hier haben wir eine Dame, die nur zu froh sein wird, sich ihrer anzunehmen. Judith, wirst du dich gegen eine Invasion aus dem Kinderzimmer verwehren?”
“Natürlich nicht!” Judith lächelte die Kinder warmherzig an und nahm Peregrines älteres Mädchen auf die Knie.
“Wir sind ihnen begegnet, als sie aus dem Park zurückkamen”, erklärte Elizabeth. “Und da Judith hier ist, müssen wir uns etwas besonders Gutes antun. Tee im Salon, was meint ihr?”
Dieser Vorschlag wurde mit lautstarkem Jubel begrüßt, und Peregrine lachte. “Wie du wünschst, meine Liebe.” Er läutete und gab seine Anweisungen. “Du verhätschelst sie, Elizabeth. Prudence
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