Herz in Gefahr
Judith sieht erschöpft aus. Sie würde sicher auch gern etwas Zeit mit ihren Freunden verbringen. Wir sollten Lord Wentworth für seine Freundlichkeit danken.”
“Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite. Ich muss Ihnen für Ihr Verständnis und Ihre Nachsicht danken.” Sebastian war verblüfft. Was hatte der Bursche vor? Er schien dankbar zu sein für das Angebot.
“Wollen wir die kleine Braut um ihre Meinung bitten?”, sagte Truscott. “Ich wage es, zu behaupten, dass sie entzückt sein wird. Ma’am, wollen Sie nach ihr schicken?”
Und natürlich war Judiths Antwort keine Überraschung. “Selbstverständlich werde ich kommen … das heißt, wenn es keine Einwände gibt.” Sie sah Truscott und ihre Stiefmutter an, und beide nickten nur.
“Meine Kutsche wartet vor dem Haus”, sagte Sebastian lächelnd. “Ich weiß, ich dränge dich, meine Liebe, aber vielleicht wird deiner Zofe erlaubt sein, deine Sachen heute Nachmittag abzuholen?”
“Wahrlich, Seine Lordschaft hat an alles gedacht. Fort mit Ihnen, meine Liebste. Sie werden Ihrer Ladyschaft meine Grüße ausrichten?” Truscott war die Großmütigkeit selbst.
“Aber natürlich!” Judith hatte noch nie mehr Zuneigung für Truscott empfunden als in diesem Moment. Trotz all seiner Probleme war er so zuvorkommend. “Sie werden mich doch wissen lassen, wie es Ihrer Mama geht? Charles, ich würde mit Ihnen gehen, wenn Sie mich nur ließen.”
“Meine Liebe, es kommt nicht infrage, wie ich schon sagte. Aber halten Sie Seine Lordschaft nicht länger auf. Ich bin froh, zu wissen, dass Sie bei Ihren Freunden sind, solange ich fort bin.” Er nahm ihre Hand und küsste sie ehrfürchtig und wurde mit einem strahlenden Lächeln belohnt.
“So ein liebes Kind!”, sagte er, während sie fort war, um ihre Pelisse zu holen. “Ich bin ihrer so unwürdig.”
Insgeheim stimmte Sebastian ihm von ganzem Herzen zu, aber er beschränkte sich darauf, ihn höflich nach der Gesundheit seiner Mutter zu fragen.
Truscott war unglaublich geschickt. Er konnte jedes Symptom der Pocken nur so aus dem Ärmel schütteln, aber bis auf das erfuhr Sebastian nichts über den Aufenthaltsort der kranken Frau oder warum Judith ihr bisher noch nicht vorgestellt worden war. Andererseits hatte Sebastian auch nichts anderes erwartet, und so ließ er sich nichts von seinem Misstrauen anmerken.
Prudence war überglücklich. “Oh, mein Lieber, du hast sie gleich mitgebracht! Liebste Judith, bin ich zu gierig, dass ich mir wünsche, dich hier zu haben?”
Judith schüttelte lachend den Kopf. “Ich freue mich unbeschreiblich, bei dir zu sein.”
Zufrieden überließ Sebastian die beiden sich selbst. Er schlenderte in die Bibliothek und ging seine Morgenpost durch. Aber in Gedanken war er bei Truscotts unerwartet gutwilligem Verhalten. Es war ihm ein Rätsel, für das er im Augenblick keine Erklärung fand. Das Wichtigste war, das Judith zunächst in Sicherheit war und es auch blieb.
Er musste nur noch mit Dan sprechen, der Judith in wirklich große Gefahr bringen konnte, wenn er ihr seine Gefühle für sie verriet.
Sebastian hörte Geräusche in der Halle und kam vom Salon gerade rechtzeitig herüber, um noch zu hören, wie der Butler Dan verkündete, dass Ihre Ladyschaft heruntergekommen war und sich im Augenblick mit ihrem Gatten und Miss Aveton im Salon befand.
“Sie ist hier?” Dans Gesicht erhellte sich. “Ich muss sofort zu ihnen.”
“Dan, ein Wort noch, wenn du so freundlich bist!” Sebastian öffnete die Tür zur Bibliothek.
“Ist das nicht fantastisch?” Dan warf seinen Reisemantel beiseite und die Reitpeitsche daneben. “Wie hast du es geschafft, Judith loszueisen? Um diese Stunde bedeutet es doch, dass sie hier übernachtet …”
“Das stimmt, aber nur für ein, zwei Tage. Es hat sich nichts geändert, Dan, und ich muss dich wieder bitten, nichts zu tun, um Judith von ihrer Heirat abzubringen.”
Dans Verzweiflung war offensichtlich. “Sie soll immer noch diese Ausgeburt heiraten? Was tut sie dann hier? Die Hochzeit ist schon so bald …”
“Ich bin mir dessen bewusst. Wir müssen noch eine Weile geduldig sein. Ich habe Truscott heute gesehen. Der Mann scheint wegen irgendetwas beunruhigt zu sein. Ich glaube, dass etwas im Gange ist.”
“Er weiß, dass er bespitzelt wird?”
“Das denke ich nicht, aber ich habe nichts vom Bow Street Runner gehört.”
“Was dann?”
“Wer weiß? Er schien erleichtert zu sein, dass Judith zu uns kommen
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