Herz in Gefahr
Lieblingsthema. Die technischen Einzelheiten waren Judith unverständlich, aber sie war froh, sein glückliches Gesicht unter den rotgoldenen Locken zu betrachten, während er versuchte, ihr etwas zu erklären.
“Ich muss dich ermüden mit meinem endlosen Gerede. Sag mir, wie geht es dir?”
Sie senkte den Blick. “Wie immer”, erwiderte sie leichthin.
“Aber du bist froh, hier zu sein?”, fragte er.
Das Lächeln erschien wieder um ihre Mundwinkel. “Natürlich. Ihr seid eine so glückliche Familie. Aber wappne dich am besten schon für etwas. Wie ich von Prudence höre, sollst du Sebastian und die Jungen zu einer Ausstellung von Madame Tussauds Wachsfiguren begleiten.”
“Oh, soviel ich weiß, ist sie gerade eröffnet worden. Klingt ziemlich langweilig.”
“Madame Tussaud hatte in Paris großen Erfolg damit.”
“Und jetzt ist sie also nach London gekommen. Möchtest du sie dir auch ansehen?”
Judith lachte. “Ich bin nicht eingeladen. Es soll wohl ein Ausflug unter Männern sein.”
Hier wünschten sie sich eine gute Nacht. Sie hatten eine angenehme Stunde zusammen verbracht, aber das war alles. Mit geröteten Wangen ging Judith auf ihr Zimmer. Was hatte sie erwartet? Dass durch irgendein Wunder seine Liebe zu ihr wieder erwacht wäre? Natürlich war das nicht geschehen. Er war in bester Stimmung aus Merton zurückgekehrt. Das war nicht das Verhalten eines Mannes, dessen einzige Liebe in nur zehn Tagen einen anderen heiraten würde. Sie musste akzeptieren, dass Dan sie nicht mehr liebte.
Als Judith am nächsten Morgen ihr Zimmer verließ und zur Treppe ging, schlüpfte eine kleine Hand in ihre. Judith gab vor, erschrocken zusammenzuzucken. “Oh, Himmel, Crispin, wie du mich erschreckt hast! Ich dachte, ein schreckliches Ungeheuer hätte mich gepackt.”
Sebastians jüngster Sohn kicherte begeistert. “Stimmt gar nicht!”, meinte er. “Du wusstest, dass ich es bin.”
“Woher denn? Ich habe dich nicht gesehen. Du hast dich wie ein Indianer an mich herangeschlichen, und ich habe keinen Ton gehört.”
“Wirklich?” Seine Miene wurde todernst. “Ich habe nämlich geübt, weißt du.”
Judith nickte. “Das merkt man.”
“Ich wäre schon früher gekommen, dich zu sehen”, fuhr Crispin fort. “Aber Mama sagte, wir sollten dich nicht stören. Wir waren heute Morgen sehr leise. Du hast uns nicht gehört, oder?”
“Keinen Laut”, versicherte sie ihm.
“Dann ist es ja gut.” Crispin atmete erleichtert auf. “Ich wollte dich fragen, ob du mit uns zu den Wachsfiguren kommst.”
“Heute nicht, mein Lieber. Dan und dein Papa werden mit euch gehen, und ich bleibe bei eurer Mama.”
Crispin setzte sich auf die oberste Stufe. “Ich hatte gehofft, du kommst”, verriet er ihr wehmütig. “Du kennst immer die tollsten Geschichten.”
“Versuch dich an alles zu erinnern, was du siehst. Und dann kannst du mir davon erzählen.”
Sein Gesicht hellte sich auf, und Hand in Hand gingen sie die Treppe hinunter, gerade als Dan aus der Bibliothek kam. Der Anblick von Judith mit dem Kind traf ihn wie ein Messer ins Herz. Wenn sie damals geheiratet hätten, würde sie jetzt eigene Söhne und Töchter haben. Dan riss sich zusammen und achtete darauf, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen. Er begrüßte sie mit einer höflichen Nachfrage, wie sie die Nacht verbracht hatte.
“Sehr gut, Dan, danke!” Ihr strahlendes Lächeln wurde nur schwach von ihm erwidert. “Bist du schon bereit für euren Ausflug?”
“Es hat eine Änderung gegeben”, sagte er knapp. “Prudence fühlt sich heute nicht besonders gut. Sebastian hat nach dem Arzt geschickt und will natürlich auf seine Diagnose warten.”
“Dann gehen wir nicht zu den Wachsfiguren?” Crispins Unterlippe begann zu zittern.
“Doch, natürlich, mein Junge!” Sebastian kam auf sie zu, hob seinen Sohn hoch und warf ihn in die Luft. “Ich werde Judith dazu überreden, mit euch zu gehen. Wie würde dir das gefallen?”
Crispin jauchzte vor Freude. “Besser als alles!”, schrie er. Dann eilte er davon, so schnell ihn seine kurzen dicken Beinchen tragen konnten, um seinen Brüdern die gute Neuigkeit mitzuteilen.
“Von meinem eigenen Fleisch und Blut verschmäht!”, meinte Sebastian seufzend. “Judith, du hast viel zu verantworten.”
Als sie ihn anlächelte, wurde er ernst. “Macht es dir etwas aus, sie zu begleiten?”
Sie schüttelte den Kopf. “Aber natürlich nicht, Sebastian.”
“Was für ein Schatz du
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