Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herz ueber Bord

Herz ueber Bord

Titel: Herz ueber Bord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
Vom Netzwerk:
ein wenig zu direkt.«
    Â»Schon gut«, winkte ich ab und schob meine Hand neben ihre in die Griffe der Reisetasche. »Es geht nun aber wirklich nicht, dass du das alles ganz alleine schleppst.«
    Â»Oh doch, und wie das geht!«, rief sie. »Du hast immerhin noch deinen …«
    Ich nickte. »Rucksack, genau. Und der ist im Gegensatz zu dieser Tasche überhaupt nicht schwer«, sagte ich und versuchte, meiner Stimme einen energischen Akzent zu verleihen.
    Â»Gut, dann nimmst du eben noch den Koffer«, entschied Tante Grace. »Diese Monstertasche trage jedenfalls ich. Ich bin nämlich schon ziemlich windschief«, erklärte sie mit einem gewissen Stolz im Unterton. »Du dagegen solltest noch für eine Weile hübsch gerade bleiben. Und jetzt erzähl mal«, forderte sie mich auf. »Hattest du eine gute Reise?«
    Â»Ja … für meine Verhältnisse schon«, sagte ich. »Ich nehme an, Mam hat dir gesagt, dass ich …«
    Â»Dass du weder wasserfest noch flugsicher bist«, fiel Tante Grace mir ins Wort. »Ja, das hat sie. Aber du hast dich ja offenbar ganz gut geschlagen, oder sehe ich das falsch?«
    Â»Hm«, machte ich. »Es ging tatsächlich besser, als ich mir zugetraut hatte. Allerdings hat mir auch jemand geholfen …« Ich reckte den Kopf und blickte mich um, aber ich konnte Javen Spinx nirgendwo entdecken. Im Grunde hatte ich auch nichts anderes erwartet.
    Â»Das ist schön«, meinte Tante Grace nur, und dann zockelte sie los, meine Monstertasche bei jedem fünften Schritt von einer Seite auf die andere wechselnd, dem Ausgang entgegen.
    Sie winkte ein Taxi heran. Der Fahrer, ein untersetzter Mittfünfziger mit sonnengegerbter Haut und gezwirbeltem Schnauzer, hechtete sofort zu uns herüber, nahm ihr die Tasche aus der Hand und öffnete den Kofferraum. Er hievte auch meinen Koffer hinein, stellte wohl fest, wie schwer er war, und zwinkerte mir unter dem Rand seiner grauen Wildlederschiebermütze zu. »Verstecken Sie etwa Ihren Freund da drin?«
    Â»Nein«, sagte ich mit einem Lächeln. »Nur meinen Laptop.«
    Â»Hast du überhaupt einen Freund?«, raunte Tante Grace mir ins Ohr, nachdem wir uns auf der Rückbank niedergelassen hatten.
    Â»Wäre ich wohl hier, wenn ich einen hätte?«, erwiderte ich.
    Sie hob die Augenbrauen und ein etwas unwilliger Ausdruck machte sich auf ihrem Gesicht breit.
    Â»Und du?«, fragte ich. »Hast du …?«
    Â»Ich?« Sie schüttelte den Kopf. »Ach woher!«
    Â»Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du ein Auto besitzt«, entgegnete ich kichernd.
    Â»Nein«, sagte sie beinahe trotzig. »Tu ich nicht.«
    Ich lehnte mich in den Sitz zurück und blinzelte gegen das Licht der Nachmittagssonne in die britische Insellandschaft hinaus. Die Häuser waren klein, allerhöchstens dreistöckig, und viele aus groben dunklen oder orangefarbenen Steinen gebaut. Einige waren in pastellfarbenen Putz gehüllt und mit Erkern und kleinen Balkonen geschmückt, und fast alle besaßen wunderschöne Vorgärten, in denen neben Rhododendren, Kamelien und Palmen viele Pflanzen wuchsen, die ich noch nie gesehen hatte. Überhaupt war alles sehr grün und blumig hier, obwohl der März seinen Zenit gerade erst überschritten hatte. Auf dem Weg nach St Saviour fielen mir unzählige Gewächshäuser auf, deren Glasdächer das Sonnenlicht reflektierten.
    Â»Guernsey Diamonds«, murmelte ich.
    Â»Was?«, fragte Tante Grace. »Was hast du gesagt?«
    Â»Ã„hm … nichts«, antwortete ich, sah sie kurz an und blickte dann weiter aus dem Seitenfenster.
    Sie tätschelte meinen Rucksack, den ich zwischen uns auf den Sitz gelegt hatte. »Du solltest deine Mutter anrufen.«
    Ich nickte. »Das mache ich, wenn wir bei dir angekommen sind.«
    Â»Nein, das machst du besser jetzt.«
    Ich sah sie an und seufzte. Mit einem Mal war mir klar, was Mam an der Idee, mich eine Weile auf dieser Insel verbringen zu lassen, so begeistert hatte. Tante Grace stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Sie hatte einen klaren Blick und ebenso klare Vorstellungen. Bestimmt hoffte meine laissezfaire erzogene und etwas chaotische Mutter, dass ich hier bei ihr die Strukturen vorfinden würde, die sie mir daheim in Lübeck nicht geben konnte.
    Pas Unfall war für uns beide ein Schock gewesen, allerdings schien Mam mit diesem Verlust sehr

Weitere Kostenlose Bücher