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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bax
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ging vor in die Richtung, in der mein Büro-Container stand. Sie schaute im Gehen staunend am Gasometer hoch, der im Mondlicht majestätisch neben uns aufragte, und sagte: »Kann man da eigentlich jetzt noch hoch?«
     
    »Man nicht. Wir schon.« Mir war ansatzweise bewusst, dass das der gleiche Tonfall war, in dem Baby der unbekannten Süßen gerade noch die Lage von Düsseldorf erklärt hatte. Ich klärte über Funk, dass ich die abschließende Kontrolle des Daches doch selbst übernehmen würde und wies ihr den Weg. Auf dem Weg zum Aufzug erzählte sie mir, wie sie bis jetzt an die Geschichte herangegangen war. Sie hatte einen der ermittelnden Beamten zu einem längeren Gespräch getroffen und sich in Archiven kundig gemacht, was ähnliche Fälle betraf. Da die Behörden bei ihren Ermittlungen auf der Stelle traten, hatten sie sie relativ großzügig informiert, die Rose hatten sie allerdings nicht erwähnt.
     
    »Und? Gibt es ähnliche Fälle?« Wir blieben vor dem Aufzug stehen und ich drückte auf den Knopf. Die Zahl vier in der Anzeige wurde dunkel und der Aufzug setzte sich in Bewegung. Einen Moment überlegte ich, warum der Aufzug denn aus der vierten Etage kam, aber dann begann sie wieder zu sprechen.
     
    »Niemand hat bis jetzt einen gefrorenen rechten Fuß einfach in die Gegend gestellt. Auch keinen linken. Wenn es überhaupt vergleichbare Funde gab, hat man auch den Rest der Leiche schnell in der Nähe gefunden. Wie beim Rhein-Ruhr-Ripper vor ungefähr zehn Jahren, der seinen Opfern die Hände oder den Kopf abgehackt hat. In den siebziger Jahren gab es dann noch einen berühmten Kindermörder hier ganz in der Nähe, der seine Opfer zerstückelt in der Kühltruhe aufbewahrte. Er hat die eingefrorenen Kinder allerdings nicht ausgestellt, sondern versucht, sie Stück für Stück im Klo hinunterzuspülen. Die Sache ist aufgefallen, als die Nachbarn sich über die verstopften Ausgüsse beschwert haben.« Sie zog die Schultern hoch, als wäre ihr plötzlich kalt. Ich hätte gerne eine Jacke gehabt, die ich ihr um die Schultern legen könnte, aber ich hatte keine und ihre Schilderung ließ zudem auch mich frösteln. Sie rieb sich beide Arme und ich konnte sehen, dass sie schöne Hände hatte. Natürlich hatte sie auch noch schöne Hände.
     
    Der Aufzug hielt wie immer mit einem lauten Krachen und sie erschreckte sich sichtbar.
     
    »Keine Angst. Dieses Geräusch macht er schon seit Jahren und keiner hat bis jetzt herausgefunden, warum er das tut. Aber es hat auch keine weiteren Folgen. Glaub mir, selbst wenn wir hier drinnen stecken bleiben sollten, holt der Hausmeister uns nach ein paar Minuten wieder ans Licht.«
     
    »Wie beruhigend. Ich habe leider kein gutes Verhältnis zu engen, geschlossenen Räumen.« Sie ging mühsam lächelnd an mir vorbei in den grell beleuchtenden Metallwürfel, der seine Türen hinter uns schloss und sich quietschend auf den Weg nach oben machte. Sie musterte angespannt die Bedienungsleiste und fragte nicht wirklich interessiert: »Man kann also an allen zwölf Etagen halten?«
     
    »Ja, hier außen kann man überall halten, aber nur auf der zehnten Etage kann man dann in den Innenraum gehen und von dort hinunterfahren. Außen kann man von allen anderen Etagen dann nur den Rest auf dem Treppenturm nach oben oder unten laufen. Innen hat der Gasometer keine Treppe, nur ein Erdgeschoss und drei offene Etagen, darüber ist nur leerer Raum und eine kleine Plattform auf der zehnten Etage. Warst du noch nie hier?«
     
    »Nein. Das ist eine von den Sachen, die ich mir vorgenommen habe, als ich ins Ruhrgebiet gezogen bin, aber es ist bis jetzt noch nicht dazu gekommen.«
     
    »Du bist noch neu hier?«
     
    »Im Oktober sind es zehn Jahre.« Sie sah schuldbewusst aus.
     
    Wir mussten beide lachen. »Hast du die Kisten schon ausgepackt?«
     
    Sie schüttelte den Kopf und die Angst vor dem engen Raum, der uns umgab, schien sie zu kurz zu verlassen. Der Aufzug ruckte und blieb auf der zwölften Etage stehen. »Da sind wir schon.« Ich klang bemüht fröhlich, wie ein Zahnarzt, der einem Angstpatienten einen Backenzahn gezogen hatte.
     
    »Das ist gut. Ich glaube, nach unten möchte ich aber lieber laufen.« Sie fröstelte jetzt richtig, obwohl es eine warme Nacht war. Eine kleine Gänsehaut raute ihren Nacken unter den kurzen dunklen Haaren vorteilhaft auf, was mir nur auffiel, weil sie dicht vor mir aufs Dach ging.
     
    »Das ist ja ein unglaublicher Ausblick, ich kriege eine

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