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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bax
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im Blutkreislauf gewesen, heute war das meist ein Anruf aus dem Mobilfunknetz. Ich zog das Handy aus der Hosentasche und schaute auf das Display. Mittlerweile war mir diese spezielle Nummer vertraut. Ich hatte Irene Thomas zwei Tage nach Markus’ Besuch angerufen und nur ihre Mailbox erreicht. Sie wiederum hatte einen Tag später eine Nachricht auf meiner hinterlassen und ich hatte gestern wieder ihre angerufen. Wenn ich jetzt den Anruf annahm, bevor sie wieder auflegte, würde es uns vielleicht gelingen, ohne elektronische Hilfen miteinander zu reden.
     
    »Hallo?«
     
    »Frau Gabriel?« Ihre Stimme klang auch unaufgezeichnet äußerst angenehm.
     
    »Ja. Frau Thomas?«
     
    »Auch ja. Ich hoffe, ich störe Sie nicht zu später Stunde, aber ich bin gerade hier vorbeigefahren und habe gesehen, dass der Gasometer noch offen ist und da dachte ich, ich versuche es einfach mal.«
     
    »Da haben Sie richtig gesehen und nein, Sie stören nicht.«
     
    »Heißt das, ich könnte auch noch reinkommen?« Sie lachte vorsichtig.
     
    »Wo sind Sie denn?«
     
    »Vor dem Kassenhäuschen. Aber das ist schon geschlossen.«
     
    »Dann bleiben Sie mal da stehen. Ich komme Sie abholen.«
     
    »Wunderbar.« Sie legte auf.
     
    Per Funk dirigierte ich die Aufsichten zur letzten Kontrollrunde und fuhr mit einem im lockeren Palstek ineinander verknoteten Männerpaar nach unten. Ich betete darum, nicht mit den beiden stecken zu bleiben, denn der Einblick in schwule Zungenkussvariationen, den sie mir vermittelten, während wir an einem Seil kontrolliert der Erde entgegenfielen, deckte meinen Bedarf vollkommen. Unten ging ich den kurzen Schotterweg vom Aufzugturm zum Kassenhäuschen am Gitterzaun und lauschte dem regen Funkverkehr, der die verschiedenen Bereiche als geräumt oder zu räumen meldete. Seit der Sache mit dem Fuß waren alle intensiv bemüht, nichts zu übersehen. Mit mir schlenderten vereinzelte Besucher zum Ausgang. Die beiden zungenverschlungenen Männer wurden am Ausgang kurz vom Drehkreuz getrennt und man sah ihnen den Schmerz darüber deutlich an.
     
    Irene Thomas stand in einem Flecken Lampenlicht, der sich vom hellen Mondlicht bedrängt unregelmäßig über den asphaltierten Vorplatz gegossen hatte. Der Vorplatz stand ihr genauso gut wie das Empire State Building, auf dem ein unbekannter Amerikaner das Bild von ihr und Markus geschossen hatte. Wahrscheinlich würde sie auch auf einer Müllhalde gut aussehen. Es gab solche Menschen, die ihre Umgebung erhellten und schöner machten. Ich ging auf sie zu und sie lächelte mich an, als ich näher kam. Helmut trat aus dem Kassenhäuschen und sah kurz zu ihr, bevor er knurrte: »Aufschließen?« Er hatte seinen Schlüssel schon in der Hand, mit hoher Wahrscheinlichkeit hatte er vollkommen unsichtbar hinter der verspiegelten Kassenscheibe ihrem Teil des Telefongesprächs gelauscht.
     
    »Das wäre nett, Helmut.«
     
     »Hallo.« Sie reichte mir die Hand, nachdem sie durch das Tor gegangen war. »Ich bin Irene.«
     
    Ich nahm ihre Hand und drückte sie. Sie erwiderte den Druck kurz und fest.
     
    »Ich bin Charlotte.«
     
    »Wir können du sagen, oder? Ich habe gehört du spielst auf unserer Hochzeit Mundharmonika, das verbindet doch.«
     
    »Auf jeden Fall. Du sagen, meine ich. Was die Mundharmonika angeht, verhandele ich noch mit dem Bundesverfassungsgericht, das meine Konzerte als Nötigung einstufen will.«
     
    Sie lachte. »Markus hat recht gehabt, ihr habt den gleichen Humor. Ich bin, nebenbei bemerkt, unendlich dankbar, dass du mir ein Interview ermöglichst.«
     
    Die Freude lag ganz bei mir.
     
    »Na ja, ich habe gehört, dass wir beide mit einer einzigen Geschichte von dir sehr reich werden. Wie könnte ich da ablehnen.«
     
    »Reich? Ich weiß nicht. Du hast alle anderen Angebote abgelehnt.« Sie sah mich ernst an.
     
    »Deren Verlobte haben nie mit mir zusammen die Tür zum Chemiesaal geklaut.«
     
    »Warum habt ihr das denn gemacht?«
     
    »Wenn ich das bloß noch wüsste.« Wir lachten gleichzeitig und in mir breitete sich das Gefühl aus, das nötig war, um mit hölzernen Segelschiffen zu unbekannten Kontinenten aufzubrechen. Helmut putzte schon seit einiger Zeit einen ungewöhnlich hartnäckigen Fleck auf der Kassenscheibe und ich konnte förmlich sehen, wie seine Ohren sich den zarten Schallwellen über unseren Köpfen entgegenstreckten.
     
    »Lass uns in mein Büro gehen, da können wir einen Termin für ein Gespräch vereinbaren.« Ich

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