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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bax
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sagte ich und bewegte mich nicht, denn mein Gehirn hatte die ihm zur Verfügung stehenden Bilder und Informationen fertig sortiert und eine kleine Welle Adrenalin durch meinen Körper geschickt. Das grüne Objekt dort hatte nicht nur die korrekte Farbe, es stand auch genau am selben Ort. Es stand haargenau am selben Ort. Mir war, als ob Irenes Worte über Ripper und Kindermörder in meinem Kopf von einer unsichtbaren Pumpe aufgeblasen würden und immer größer wurden. Sie drückten schon von innen gegen meine Stirn, die zu schmerzen begann. Ich griff nach dem Pfefferspray und sah mich wieder um.
     
    »Komm.« Ich wollte Irene nicht beunruhigen und ging vorsichtig weiter. Sie folgte mir und sah mich dabei immer wieder fragend an. Fünf Meter vor dem grünen Ding blieben wir stehen. Da war dieses grelle Grün, das ich nie mehr vergessen würde. Da war die gleiche, dicke Wolle und der Knoten mit dem langen Zipfel. Ich brauchte nicht danach zu greifen, um zu wissen, dass die Wolle kalt und feucht sein würde. Die Konturen des Fußes waren in der Mischung aus Mond- und Lampenlicht klar zu erkennen. Meine Hand löste sich von meiner Nebelwaffe und griff nach ihrer Hand, weil es in meinem Kopf dumpf summte. Die aufgeblasenen Worte über die Mörder und ihre Methoden füllten mittlerweile meinen ganzen Kopf aus.
     
    »Das sieht aber genau aus wie auf dem Polizeifoto. Charlotte?« Sie drückte meine Hand und starrte abwechselnd mich und das grüne Ding vor uns an. In der Ferne konnte ich eine Polizeisirene hören. Gut.
     
    »Ich fürchte, das ist kein Nachahmer«, hörte ich mich sagen, obwohl ich ihr eigentlich hatte versichern wollen, dass alles in Ordnung war. Dass niemand außer uns hier war. Dass wir nichts zu fürchten hatten. Sie nickte stumm.
     
    »Meinst du, er ist noch hier?« Ihre Hand bewegte sich unruhig in meiner.
     
    »Nein. Wer immer das tut, will nicht gesehen werden. Ganz sicher.« Hier oben, allein mit dem Mond und der Nacht mussten wir jetzt beide hoffen, dass das stimmte. Ich hielt ihre Hand sanft wie einen ängstlichen Vogel und strich vorsichtig mit dem Daumen über ihre Finger. Das Gefühl, jemanden beschützen zu wollen, drängte die Angst aus dem Verstand in Richtung Rückenmark und meine Augen nahmen die Welt wieder klarer wahr.
     
    Unter dem grünen Fuß flatterte etwas Helles immer wieder leicht mit dem Wind auf. Ich ließ ihre Hand los und ging darauf zu. Der grüne gefrorene Fuß stand auf der Ecke eines Blattes aus Papier. Ich traute mich nicht, es hervorzuziehen, aber das war auch nicht nötig, denn die wenigen Zeilen waren nicht vom Fuß bedeckt. »Das sieht aus wie eine Seite aus einem Buch«, sagte Irene plötzlich ganz dicht neben mir. Wir beugten uns beide vor und lasen gemeinsam den kurzen Text.
     
    Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen?
     
    Und gesetzt selbst, es nähme einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem
     
    stärkeren Dasein.
     
    Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht,
     
    uns zu zerstören.
     
    Ein jeder Engel ist schrecklich.
     
    Ich sah sie ratlos an. Irene konnte ihren Blick nicht von dem kalten Fuß lösen und begann plötzlich leise zu weinen. Ich begriff erst gar nicht, was sie zwischen den Schluchzern sagte. Aber dann verstand ich sie.
     
    »Das ist ein rechter Fuß, Charlotte.«
     
    Ich sah hinunter und ich sah, dass sie recht hatte. Der andere Fuß war auch ein rechter Fuß gewesen. Ich legte meinem Arm um sie und sie lehnte sich weinend an meine Schulter. So standen wir auch noch dort, als die Polizei eintraf.
     

Schlechtes Licht und schlechter Kaffee
     
    und Irenes Arm so dicht neben meinem auf dem Tisch, als würden wir uns schon ewig kennen. Sie trug ein schwarzes Lederarmband, mit dem sie immer wieder spielte, und wenn das Band sich unter ihren Fingern drehte, berührte der schmale, silberne Anhänger auch meinen nackten Arm. Nachdem wir uns gesetzt hatten, war ich, als er meinen Arm erstmalig gestreift hatte, sichtbar aufgeschreckt und hatte ihr schnell zur Beruhigung erklärt, wie schön ich ihr Armband fand. Jetzt genoss ich diese flüchtige Berührung still und umkreiste mit dem Zeigefinger der anderen Hand die dunklen Ringe, die ungezählte feuchte Gläser im Holz hinterlassen hatten. Obwohl die Luft sich draußen stark abgekühlt hatte, war es hier drinnen stickig und warm. Der Aufkleber

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