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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bax
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frisch gespülten Gläsern im oberen Schubfach nach Kalkflecken und spiegelte sich , als sie keine fand selbstverliebt im Aluminium am Rande der Spülmaschine. Ich sah mich selber im matten Metall. Verzehrt und verheult.
     
    »Wir finden sie! Sobald es richtig hell ist, gehen wir zusammen noch einmal alle Möglichkeiten durch und suchen selber. Wir finden sie, hörst du?« Irene zog mich wieder dicht an sich und unsere spärlich bekleideten Körper konnten nicht anders, als sich überall ausgiebig zu berühren. Meine Verzweiflung mischte sich mit unruhiger Erregung, die im gleichen Moment wieder von nackter Angst verdrängt wurde. Mir wurde schwindelig.
     
    »Halt mich.« Ich flüsterte hilflos in Irenes Ohr, das so dicht an meinem Mund lag. Sie schloss ihre Arme fest um mich und brachte mich zurück in mein Bett. Jetzt erschien mir die Welt wirklich wie ein Traum. Diese wunderbare Frau, deren Hände mich beruhigend streichelten. Der Schmerz, die Angst, das Zimmer, das sich um mich herum drehte.
     
    »Es wird alles wieder gut«, flüsterte Irene immer wieder in mein Ohr, während ihre Hände meinen Körper an bessere Zeiten erinnerten.
     
    »Ich liebe dich«, sagte ich, bevor ich wieder einschlief, oder ich sagte es nicht und dachte es nur.
     

Jedes Geräusch war gleichzeitig Hoffnung
     
    und Angst. Die Türklingel, das Telefon, jedes Auto, das hielt, versetzten mich in einen Taumel widersprüchlicher Gefühle, von denen am Ende immer nur die Verzweiflung übrig blieb. Aus dem Morgen wurde einfach Mittag, obwohl ich den Eindruck hatte, dass die Zeit gar nicht verging. Irene hinderte mich daran, das Radio einzuschalten oder das Haus zu verlassen. In der Nachbarschaft war große Unruhe. Die Presse hatte sich in beeindruckender Zahl vor dem Haus versammelt und interviewte jeden Nachbarn, der seine Gardine bewegte. Die Polizei ging ebenfalls von Haus zu Haus und mein Bruder telefonierte immer wieder mit Irene, die ihn sanft aber bestimmt von mir fernhielt. Ich telefonierte mit Baby, mit Duislexic und allen Angehörigen der Selbstverteidigungsgruppe. Die Seniorinnen wichen den Journalisten auf ihrem Weg durch die Nachbarschaft geschickt aus und überprüften auf eigene Faust noch einmal alle möglichen Aufenthaltsorte. Ich fühlte mich wie eine Gefangene in meiner eigenen Wohnung, ohne wirklich nach draußen zu wollen. Ich musste doch da sein, wenn meine Mutter nach Hause kam. Irene hatte Markus gebeten, für uns einzukaufen und ich registrierte seine kurze Anwesenheit nur ganz nebenbei. Als sie mit einem kleinen belegten Brot vor mir stand, kaute ich es brav, obwohl mein Appetit nicht einmal für einen der Kürbiskerne reichte, die die Rinde zierten. Aber sie hatte dieses Brot für mich geschmiert und ich konnte es nicht ertragen, noch mehr Schuld auf mich zu laden. »Danke.«
     
    Sie nickte kurz und biss in ein Brot, das wie die große Schwester von meinem aussah. »Ich weiß, dass du keinen Hunger hast, aber du musst etwas essen.«
     
    Ich zerkaute Brot und Belag, die meinen Mund mit jeder Bewegung mehr anfüllten, ohne dass ich den geeigneten Moment finden konnte sie hinunterzuschlucken. Das hatte ich doch gestern noch gekonnt. Man kaute und dann schluckte man. Ich würgte den eingespeichelten Brotklumpen in meinem Mund in Richtung Rachen, aber ich bekam ihn nicht weiter hinunter. Als Irene ins Bad ging, spuckte ich das Brot in eine Serviette und versteckte es im Müll. Die Tränen liefen mir wieder übers Gesicht. Es schellte an der Tür und ich war in einer einzigen Bewegung auf der Treppe. Meine Mutter hatte ihren Schlüssel verloren. Das war es. Und jetzt musste sie schellen und dann konnten wir endlich gemeinsam über die ganze Sache lachen. Vor der Tür stand der Beamte, der meine Meldung am gestrigen Abend aufgenommen hatte. Ich bat ihn herein, obwohl ich an seinem Gesicht sehen konnte, dass er keine guten Nachrichten hatte. Wie sich herausstellte, hatte er überhaupt keine Nachrichten. Er klärte mich in der Küche umständlich über den Stand der Ermittlungen und alle Maßnahmen auf, und ich bot ihm kein Getränk an, damit er nicht unnötig lange blieb. Seine Worte klangen wieder wie der Vordruck eines Ratgebers für polizeiliche Kommunikation. »Es gibt nach wie vor keinen Hinweis darauf, dass es einen Zusammenhang zwischen Ihren Funden und dem Verschwinden ihrer Mutter gibt, aber wir ermitteln natürlich in alle Richtungen.«
     
    Als er die Tür wieder hinter sich zuzog, sah ich Irene an und

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