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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bax
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gewordenen Streifen.
     
    »Außerdem habe ich mir ein paar Tage frei genommen. Von Markus und von ein paar Terminen in der Redaktion. Wenn du Lust hast, fahren wir gleich zusammen in meine Wohnung und ich hole mir ein paar Sachen, wenn nicht, fahre ich kurz allein.«
     
    »Du bleibst hier?« Mir tropfte das Wasser aus den Haaren ins Gesicht und auf den Hals und ich war froh, dass es ausnahmsweise keine Tränen waren. Ein winziger Teil von mir rollte sich in einer Ecke zusammen und schämte sich, weil er glücklich war.
     
    Sie sah mich verwundert und ein wenig verletzt an. »Natürlich bleibe ich hier. Wenn du das auch willst, natürlich nur. Vielleicht möchtest du lieber, dass deine Freundin Baby kommt, wenn sie aus dem Urlaub zurück ist? Das ist natürlich kein Problem.«
     
    Ich stellte mich dicht hinter sie und unsere Augen begegneten sich im Spiegelstreifen, der langsam wieder beschlug.
     
    »Es ist wunderbar, dass du jetzt hier bist und ich möchte sehr gerne, dass du bleibst.«
     
    Für immer bleibst, dachte ich und achtete genau darauf, dass ich es nicht sagte.
     

Irene fuhr allein in ihre Wohnung,
     
    weil ich mir selbst diesen kurzen Weg mit dem Auto nicht zutraute. Eigentlich wollte ich gerne raus, aber ich wollte nicht gerne weg. Irene schien kurz zu überlegen, ob sie mich umstimmen sollte, und entschied sich dann dagegen. »Ich bin gleich wieder da«, sagte sie und küsste mich auf die Wange, als wäre das ganz normal. Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, wollte ich eine Hand auf die Stelle legen, die ihr Mund gerade noch berührt hatte, und konnte sie nicht mehr finden. Ich stand vor der geschlossenen Tür und ließ alle Finger langsam über mein Gesicht streichen. Nichts war auf meiner Haut von ihrem Mund geblieben. Ihr Kuss hatte keine Spuren hinterlassen. Ich hatte mir nie darüber Gedanken gemacht, was spurlos verschwinden wirklich bedeutete. Jetzt sah ich die Bedeutung von »spurlos« in allem und eine schleichende Hilflosigkeit drückte mich immer tiefer in ErzEngels Sessel, auf den ich mich schließlich geschleppt hatte. Mein Handy tschilpte einen elektronischen Ton. »Ich bin in engem Kontakt mit der Polizei und sie sagen, man muss jetzt vom Schlimmsten ausgehen. Wenn sie sich in ihrer Verwirrung etwas angetan hat, bist du nicht ganz unschuldig.« Heiners Stimme verwandelte meine Hilflosigkeit in kalte Wut.
     
    »Du weißt nichts über sie!«, brüllte ich in das winzige Mikrofon und warf das Handy gegen die Wand. Es prallte am Türrahmen ab und fiel in mehreren ungleich großen Teilen zu Boden. Ich zog die Beine an und rollte mich wie ein Embryo im Sessel zusammen.
     
    Als Irene zurückkam und das Technikpuzzle am Eingang liegen sah, bekam ihr Mund einen harten Zug, den ich vorher noch nie gesehen hatte.
     
    »Dein Bruder?«, fragte sie, während sie die Teile aufhob und probeweise zusammensetzte.
     
    Ich nickte und weinte gleichzeitig.
     
    »Unfassbar, dass ihr die gleichen Eltern habt. Dieser unsensible Idiot!« Sie versuchte, die hintere Abdeckung des Handys dazuzubringen, das darunter liegende Innenleben wieder zu verschließen, als könnte sie damit auch diese verkorkste Geschwisterbeziehung verstecken. Aber der schmale Plastikdeckel hatte den Gewaltanschlag nicht überlebt und ihre Hände zitterten vor unterdrückter Wut.
     
    »Lass es.« Ich nahm ihr die Teile aus der Hand, entfernte meine Simkarte und warf den Rest in den Abfall. »ErzEngel hat noch ein altes Handy, das kann ich solange benutzen.«
     
    In den Schubladen meiner Mutter nach dem Handy zu suchen, kam mir jedoch schnell wie Plündern vor, also ließ ich es wieder und beschloss, mir am nächsten Tag ein neues Handy zu kaufen. Das waren nicht meine Sachen in diesen Schubladen und ErzEngel war nicht hier, um mir zu erlauben, darin herumzusuchen.
     
    »Meinst du, wir sollen ein bisschen spazieren gehen?«, fragte Irene zwei stille Stunden später genau in dem Moment, in dem es an der Haustür laut und energisch schellte.
     
    »Wenn das wieder Heiner ist, bringe ich ihn um!« Ich ging von alter und neuer Wut aus meiner Starre gerissen in Richtung Flur und Irene war sofort neben mir. »Aber nur, wenn du schneller bist als ich!«
     
    Vor der Tür standen zwei Polizeibeamte, der linke, deutlich jüngere, drehte seine Mütze in der Hand. Mir wurde schlecht, weil man ihm deutlich ansah, dass er etwas sagen wollte und nicht wusste wie. Ich griff nach Irenes Hand und so standen wir Hand in Hand vor ihm

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