Herzbeben zu dritt (Junge Liebe) (German Edition)
Gesicht weichen lässt.
„Och nee, Lilly. Bitte. Tu mir das nicht an“, flehe ich sie geradezu an, mich zu verschonen. Wofür sie keinerlei Verständnis hat. Wieder mit diesem herzzerreißenden, von Tränen glänzendem, Blick kocht sie mich butterweich und ich höre mich nur selber sagen „dann aber raus hier, husch“. Woraufhin die kleinen Prinzessinnen alle fluchtartig aus dem Raum stürzen und mich mit meiner Verzweiflung zurücklassen.
Dummerweise im Obergeschoss und einem Zimmer das viel zu kleine Fenster hat, um das ich meiner Bestimmung irgendwie entkommen könnte. Sodass ich zehn Minuten später ein bodenlanges Ballkleid trage und meine Dreads in einem Zopf über meiner rechten Schulter liegen.
Mir selber einredend, dass diesen Aufzug hier ja sowieso niemand außer den Kindern je zu Gesicht bekommen wird, atme ich mir Mut machend tief ein und öffne schließlich die Tür, um wieder in den großen Gruppenraum zu gelangen. Wo fünfzehn neugierige Augenpaare voller Erwarten auf mich starren und die Mädchen sofort ein geheimnisvolles Glitzern in den Blicken haben.
„Rapunzel“, rufen sie fast schon ehrfürchtig und ich drehe mich prüfend um, nur um zu bemerken, dass sie mich meinen. Weshalb ich suchend nach Katja schaue und sie als Frau Holle verkleidet zwischen den Kindern entdecke. Mit einem Fotoapparat in der Hand. Doch ehe ich irgendwie reagieren kann, blitzt es schon und ich würde am liebsten auf der Stelle im Erdboden versinken.
„Na, da haben wir doch schon mal ein schönes Geschenk für Lilly zum Geburtstag“, zwinkert Katja mir frech zu und erntet von der gesamten verlogenen kleinen Bande Beifall.
Party des Grauens
Zehn Minuten vor sieben stehe ich mit einem komischen Gefühl im Bauch vor Jadens Elternhaus. Weil ich keine Ahnung habe, wie ich mich hier Jaden gegenüber verhalten soll. Wobei ich mir fest vorgenommen habe, ihn nicht in irgendwelche peinliche Situationen zu bringen, indem ich ihn küsse oder irgendwie auffällig berühre. Immerhin scheinen seine Eltern sowieso nicht die tolerantesten Personen zu sein und ich möchte keineswegs ihren Ärger auf Jaden projizieren, nur weil ich mich nicht unter Kontrolle habe. Wobei mir allein die Vorstellung auf das bevorstehende Aufeinandertreffen schon wahnsinnig schwerfällt. Wie soll ich es bloß schaffen, meine Finger von ihm zu lassen, wo ich nichts lieber täte, als ihn dauernd in irgendeiner Art zu berühren oder zu küssen, nur damit ich ihn fühlen kann.
Somit versuche ich mich mit dem völlig peinlichen Praktikumstag abzulenken und bin doch sehr erstaunt, wie schnell die erste Woche im Kindergarten rumging. Womit nur noch drei davon vor mir liegen. Was ich nach dem heutigen Tag kaum mehr herbeisehnen kann. Voller Entzücken hingen die kleinen Flöhe den ganzen Tag an mir und wollten Geschichten hören, wie es in dem Turm so war und ob ich Angst hatte. Was mich wirklich schwer gefordert hat, ihnen nicht einfach alle ihre Illusionen zu rauben und mich zu outen.
Am schwersten allerdings fiel es mir bei Lilly, Die mich dauernd argwöhnisch gemustert hat und um mich herumlief. Immer in gewissen Abstand, nur um ab und zu näher heranzukommen und ganz vorsichtig nach einer meiner Dreads zu fassen. Als würde sie dadurch prüfen, ob ich nicht vielleicht doch Ryan bin. Was mir im Nachhinein noch ein Schmunzeln auf die Lippen lockt. Das Einzige, was mir den Tag nachhaltig versaut hat, war, dass ich Jaden nicht mehr gesehen habe, als er Lilly abholte. Weil ich mir die Peinlichkeit ersparen wollte. Nie im Leben hätte ich mich Jaden gegenüber in diesem Kleid präsentiert. Weshalb ich mich vorsorglich auf ein wichtiges Gespräch mit der Kindergartenleiterin in ihr Büro verzogen habe, um mir für Lillys Geburtstag zwei Tage freizunehmen. Was erfreulicherweise kein Problem ist und mir Frau Reimann mit einem Augenzwinkern versicherte, dass ich die Tage nicht nacharbeiten müsste.
Doch heute ist erstmal Jaden dran und so räuspere ich mich wiederholt und traue mich schließlich, die Klingel zu betätigen. Woraufhin ein dumpfer Gong durch das Haus hallt und mir eine Gänsehaut beschert. Als sich die Tür auch schon öffnet und die junge Frau von letztens mich freundlich anlächelt.
„Leien!“, rufend kommt Lilly, mit fliegenden Schritten und ausgebreiteten Armen, durch den langen Flur auf mich zugelaufen und ich gehe ihr instinktiv entgegen, weil ich ständig das Gefühl habe, sie würde jeden Moment fallen.
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