Herzbesetzer (German Edition)
Aufregung rote Flecken im Gesicht und hält mir ein kleines Plastikbeutelchen vor die Nase.
»Hier, das hab ich in Anokis Jeans gefunden, als ich sie waschen wollte«, sagt sie. »Weißt du, was das sein könnte?«
Ich nehme das Tütchen in die Hand und betrachte es von allen Seiten, dann zucke ich die Schultern. »Also, für mich sieht das aus wie ein bisschen Lehm oder Dreck«, sage ich. »Keine Ahnung. Aber in dem Alter stopft man sich alles Mögliche in die Hosentaschen.« Noch ist meine Mutter nicht beruhigt.
»Könnte das Rauschgift sein?«, fragt sie mit einem schrillen Unterton in ihrer Stimme. Ich gucke sie entgeistert an.
»Rauschgift? Quatsch! Niemals! Wenn Anoki rauschgiftsüchtig wäre, hätten wir das doch längst gemerkt! Und er ist doch erst vierzehn, du meine Güte! Nee, mach dir da mal keine Sorgen. Das ist nie im Leben Rauschgift. Guck mal, das ist ja auch so ein fester Klumpen, kein Pulver oder keine Pille oder so was.« Meine Mutter schweigt verwirrt. Ich setze noch einen drauf: »Hast du denn irgendwelche Einstichlöcher in seinen Armen gesehen?«
Sie schüttelt besorgt den Kopf und sagt: »Ich glaub nicht … aber ich hab nicht so drauf geachtet!«
»Ich werd mal unauffällig nachschauen«, verspreche ich ihr. »Und wenn ich irgendwas Ungewöhnliches entdecke, sag ich dir sofort Bescheid. Aber da ist nichts, das kannst du mir ruhig glauben. Anoki ist noch viel zu jung für solche Sachen.« Ich werfe das Corpus Delicti mit gleichgültiger Lässigkeit in meinen Papierkorb.
Nachdem meine Mutter das Zimmer verlassen hat, falle ich fast vom Bett vor Lachen. Ist das nicht köstlich, was für Vorstellungen unbedarfte Durchschnittsbürger von Drogen haben und wie leicht man sie manipulieren kann? Kichernd hole ich das Dope-Tütchen wieder aus meinem Papierkorb und stecke es in die Hosentasche. Dann wische ich mir die Lachtränen aus den Augenwinkeln und sammle mich ein paar Sekunden, um von Kichererbse auf Kampfhund umzuschalten. Und dann krache ich in Anokis Zimmer wie ein Sprengsatz.
Er sitzt auf dem Bett und spielt mit meinem alten Gameboy, den ich hier noch rumliegen hatte. Bei meinem Hereinplatzen zuckt er zusammen und reißt erschreckt die Augen auf. Ich zwinge mich zu erbarmungsloser Härte – jetzt bloß kein Mitleid!
»Du Volltrottel«, zische ich, »du hirngeschädigte Wanze! Bist du jetzt total verblödet oder was?« Und ich wedele mit dem Plastikbeutelchen vor seiner blass gewordenen Nase herum. »Was hältst du davon, wenn du demnächst deine Drogenvorräte aus den Hosentaschen nimmst, bevor du die Klamotten in die Wäsche gibst, hä?«
Anoki schluckt und guckt mich derart eingeschüchtert an, dass ich befürchte, er könne in Tränen ausbrechen. Dann flüstert er: »Ich hab die Hose gar nicht in die Wäsche getan! Die lag hier nur überm Stuhl, weil die an den Beinen ’n bisschen nass geworden war!«
Ich lasse das verräterische Tütchen sinken und bin verblüfft. »Ist das wahr?« Ich räuspere mich und setze mich zu ihm aufs Bett. »Na gut – tut mir leid«, gebe ich zu. »Aber du musst dir auf jeden Fall einen anderen Ort hierfür ausdenken.« Ich gebe ihm den Dope-Beutel zurück, und er nickt: »Ja, klar, mach ich. Hast du jetzt mit deiner Mutter Ärger bekommen deshalb?« Ich erinnere mich an mein Bühnenstück von vorhin, und die Heiterkeit steigt in mir hoch wie Kohlensäure. Wort für Wort schildere ich Anoki unseren Dialog. Am Ende ringeln wir uns beide kichernd und prustend auf dem Bett. Anoki rollt seinen Ärmel hoch, zeigt mir seine Armbeuge und sagt mit rührendem Augenaufschlag: »Ehrenwort, ich spritz kein Haschisch!« Und wir brüllen los vor Lachen.
An diesem Abend bin ich mit Sven im Unicum verabredet. Natürlich fragt Anoki, ob er mitkommen kann, aber das geht nicht – es wird bestimmt spät werden, und ich mache nicht denselben Fehler zweimal. Meine Eltern würden sowieso nicht zulassen, dass ich ihr Prinzchen in die gefährliche Welt da draußen mitnehme, wo Alkohol und Nikotin konsumiert werden und wer weiß was für andere Gefahren lauern.
»Wir könnten doch einen Spieleabend machen«, schlägt meine Mutter ihm vor, »wir haben Monopoly, Tabu, Risiko und Uno.« Verzweifelt und flehend guckt Anoki zu mir rüber, aber ich ziehe nur bedauernd die Schultern hoch.
»Ist doch irgendwie toll von deinen Eltern«, findet Sven. »Ich meine, sie haben ja ganz schön Mut zum Risiko, sich so ein Kind aus dem Heim zu holen, findest du nicht?«
»Das ist nicht
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