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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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nicht wie einen meiner Kumpels. Vielleicht hat meine Mutter ja doch recht, dass sie mehr das Kind in ihm sieht. Ich meine, mit vierzehn – da ist man doch noch ein Kind. Oder? Irgendwie auch wieder nicht. Verflixt. Das ist wohl das schwierigste Alter überhaupt. Anoki ist definitiv beides: ängstliches Kind und abgebrühter Erwachsener. Da kann man eigentlich nur Fehler machen.
    Okay, zweitens: Ich werde darauf achten, dass er nichts Gefährliches tut. Und wenn er mich dafür hasst, das ist mir egal. Also, na ja. Ist es nicht. Ich will natürlich, dass er mich anbetet . Und das wiederum bedeutet, dass ich mich sichtbar von meinen tüddeligen Eltern abgrenzen muss, ihm was zutrauen muss, ihm Selbstvertrauen und Stärke vermitteln muss … So langsam gerate ich in Verzweiflung. Ich rutsche immer tiefer in einen Sumpf der Widersprüche. Wie kann ich ihn gleichzeitig beschützen und bestärken? Wie kann ich dafür sorgen, dass er mich bewundert und als Vorbild betrachtet, und gleichzeitig sein Erwachsenwerden ignorieren? Herrgott, wenn das so weitergeht, belege ich einen Abendkurs in Pädagogik.

 
 
18
    Meine Mutter hat uns zum Einkaufen zu Real geschickt. Während ich beharrlich ihre Liste abarbeite, macht Anoki allerhand Kurven und Schleifen um die Regale herum. Das ist in Ordnung, er soll sich ruhig mit dem Angebot vertraut machen, sicher wird er öfter mal alleine einkaufen gehen müssen. Von Zeit zu Zeit kommt er mit einem halb schüchternen, halb frechen Grinsen und legt irgendwas in meinen Einkaufswagen: eine Tüte Popcorn, eine Familienpackung Magnum, einen Zehnerpack Batterien, die er wahrscheinlich für meinen Gameboy braucht, und schließlich eine Flasche Absolut Vodka. »Was willst du denn damit?«
    »Zum Mixen«, sagt er treuherzig, »mit Orangensaft oder so.«
    Ich nehme die Flasche wieder raus und drücke sie ihm in die Hand. »Das Einzige, was du mixen kannst, ist Milch mit Kakao«, erkläre ich rigoros. Ja, ich weiß, die letzten Tage war ich nicht so streng, aber schließlich hab ich ein paar gute Vorsätze gefasst. Und die gelten ab sofort. Anoki wirft mir einen schmerzerfüllten Blick zu und starrt sehnsüchtig auf die Wodkaflasche in seiner Hand. »Wegbringen«, befehle ich nachdrücklich. Er schleicht sich. Etwas später kommt er mit zwei Flaschen Hohes C wieder und fragt trotzig: »Die darf ich aber haben, oder?« Hier gibt es mindestens zwölf verschiedene Sorten O-Saft, und dieser ist garantiert der teuerste, aber ich will nicht unnötig zickig sein, also nicke ich nur und lasse ihn seine Eroberung in den Einkaufswagen stellen.
    Heute Abend hängen wir alle vier faul vor dem Fernseher ab. Ich bin noch ein bisschen verkatert von gestern, mein Vater hatte nur die Feiertage frei und geht wieder arbeiten, und warum meine Mutter und Anoki nicht mehr Energie besitzen, weiß ich nicht, jedenfalls sieht es aus, als hätte in diesem Wohnzimmer ein Giftgasattentat stattgefunden und uns alle außer Gefecht gesetzt. Bei näherem Hinsehen gibt es allerdings Zeichen intelligenten Lebens: zum Beispiel dass Anoki regelmäßig die Hand ausstreckt, um in die Chipsschüssel zu greifen. Beim nächsten Werbeblock stemmt er sich mühsam aus dem Sessel, reckt sich und fragt: »Möchte noch jemand ’n Saft?«
    »Ja, kannst mir einen mitbringen«, sage ich, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden. Wenig später drückt er mir ein Glas in die Hand und verzieht sich wieder auf seinen Platz. Ich nehme einen Schluck und muss mich bemühen, ihn nicht gleich wieder auszuspucken. Das sieht zwar aus wie Orangensaft – aber in Wirklichkeit ist das fast reiner Wodka, gelb gefärbt.
    Er hat doch tatsächlich den Wodka geklaut, und ich hab es nicht gemerkt! Ich sehe zu ihm rüber, und er lächelt mich kackfrech an, sogar mit einem gewissen Stolz. Na warte, Bürschchen! Ich trinke mein Glas nicht leer, aber Anoki holt sich während der folgenden Werbepause das nächste, und dann geht er noch ein drittes Mal. Da folge ich ihm geräuschlos zur Küche und beobachte, wie er unbekümmert eine Sprudelwasserflasche aus dem Kühlschrank nimmt, in die er seinen geklauten Sprit umgefüllt hat. Meine Eltern trinken ausschließlich stilles Wasser, also kann er davon ausgehen, dass sein geheimer Vorrat unentdeckt bleibt. Er zuckt zusammen, als ich plötzlich neben ihm stehe. Ich schnappe mir sein frisch gefülltes Glas und kippe es ins Spülbecken, was er mit sichtlichem Entsetzen, aber klugerweise schweigend erduldet. Dann verpasse ich ihm

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