Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
Plötzlich blieb Kluftinger stehen.
»Sagt’s mal, Männer: Hat der Richie nicht gestern noch so Andeutungen gemacht? Dass er irgendwas nachprüfen will?«
Strobl nickte. »Ja, das hat er. Aber deutlicher ist er nicht geworden.«
»Zefix! Woher sollen wir jetzt wissen, was er machen wollte?«
»Vielleicht gibt es in seinem PC Hinweise darauf«, schlug Hefele vor.
»Gute Idee.« Kluftinger sprintete zum Platz des Kollegen und fuhr dessen Computer hoch. Als die Sanduhr verschwand, erschien das Bild eines lachenden Buddhas, darauf mehrere Ordner. »Erkenntnisse« hieß einer, ein anderer »Vorfälle«.
Kluftinger tippte auf
Vorfälle,
Strobl und Hefele schauten ihm gespannt über die Schulter. Eine Textdatei mit der Bezeichnung »Kluftinger« erschien, und er klickte noch einmal. Er überflog den Text, und ihm wurde schnell klar, dass sie hier wohl eher nicht fündig werden würden. Die ersten Sätze lauteten:
Chef heute sehr viel einfühlsamer als sonst. Es scheint ihm jedoch nicht gutzugehen. Mental oder physisch, kann ich noch nicht sagen. Weiß nicht, wie ich an ihn rankommen soll, seine Schale ist zu hart. Weiter dranbleiben. Die zwei anderen Eisklötze dürfen keinesfalls merken, dass es nun eine emotionale Verbindung zwischen Chef und R.M. gibt, sonst erneute Anfeindungen.
»Emotionale Verbindung?«, zitierte Strobl, doch Kluftinger schüttelte nur den Kopf. Unter anderen Umständen hätte das Stoff für eine ganze Monatsration hämischer Witze gegeben, nun jedoch war niemand dazu in der Stimmung.
Während Kluftinger mit der Maus auf dem Tisch herumfuhr, spürte er, wie seine Kehle enger wurde. War das nun schon eine verfrühte Reaktion auf einen möglicherweise tragischen Ausgang des Ganzen? Oder hatte er sich heute einfach überfordert? Er nahm die Hand von der Maus und stand auf. »Übernimm du mal«, sagte er zu Strobl und lehnte sich an die Tischkante. Besorgt blickte ihn sein Kollege an, setzte sich dann aber und suchte ebenfalls weiter nach brauchbaren Informationen. Vergeblich.
»Verreck«, schimpfte Strobl.
»Fahren wir?«, fragte Kluftinger nur.
Die anderen nickten.
»Gut, ich fahr selber, ihr extra. Damit wir flexibel bleiben. Auf geht’s nach Leutkirch.«
Strobl und Hefele rannten bereits los. Kluftinger lief ihnen keuchend hinterher. Das Stechen in seiner Brust war nun permanent zu spüren, doch er konnte jetzt nichts dagegen tun. Er hatte einen Kollegen zu retten. Und wenn es das Letzte sein würde, was er tat.
»Herrgottzack, Eugen, jetzt sperr endlich die Tür auf!« Kluftinger drängte seinen Kollegen beiseite, nahm ihm die Schlüssel ab, den sie in Richard Maiers Spind gefunden hatten, und steckte den ersten ins Schloss.
»Du weißt doch, wie der Richie ist – der geht uns an die Gurgel, wenn er das erfährt! Und außerdem: Wer sagt uns denn, dass das überhaupt die Schlüssel zu der Wohnung sind und nicht die von seinen Eltern oder sonst wem«, wandte Hefele ein.
»Roland, wir können froh sein, wenn er überhaupt noch die Gelegenheit hat, irgendjemandem an die Gurgel zu gehen!«
»Mein Gott, ist ja schon wieder gut.«
Der dritte Schlüssel passte. Wortlos betraten die drei die Wohnung ihres Kollegen. Keiner von ihnen war jemals hier gewesen. Wie wenig er doch von Maier wusste, schoss es Kluftinger durch den Kopf – dabei hatte er immer geglaubt, ihn in- und auswendig zu kennen. Und nun hätte er noch nicht einmal sagen können, ob er gerade in einer Beziehung oder allein lebte. Er wusste lediglich, dass er sich vor einiger Zeit von seiner Frau getrennt hatte. Warum und wie die Trennung verlaufen war, hatte Maier allerdings nie erzählt. Und sie hatten auch nicht nachgefragt. Vielleicht wollte er deswegen umziehen. Und er hatte ihn deswegen so angeraunzt. Es war mehr ein Reflex, der ihn »Hallo, ist da wer?« rufen ließ.
Es dämmerte bereits, und er knipste das Licht an. Maier hatte viel Platz, wenn er hier allein wohnte. Sicher hatte er keinen Zettel hinterlassen, auf dem er vermerkt hatte, wohin er gegangen war. Für wen auch …
Dafür fand der Kommissar diverse andere Klebezettel und schüttelte ungläubig den Kopf darüber: Richie, der Ordnungsfanatiker, hatte nicht nur Erinnerungsnotizen wie »Licht aus? Fenster zu? Rekorder programmiert?« am Spiegel kleben. Nein, es schien zu jedem Handgriff einen kleinen Vermerk zu geben: zum richtigen Händewaschen (»Zwischen den Fingern, 20 – 30 Sek.!«), zum Zähneputzen (»Gut ausspülen nicht vergessen!«),
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