Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
ist, dann soll er das machen, der kennt da doch vielleicht jemanden.«
Schon eine Minute später klingelte das Telefon.
»Ja, Kluftinger? Ist gut, stellen Sie mal durch, Fräulein Henske.« Er drückte auf die Lautsprechertaste, so dass Strobl mithören konnte. In diesem Moment betrat auch Hefele wieder das Zimmer. Strobl legte seinen Zeigefinger an die Lippen und bedeutete ihm, sich zu setzen. Dann lauschten sie gespannt.
»Kappler?«, meldete sich eine hohe Stimme, von der Kluftinger im ersten Moment nicht sagen konnte, ob sie zu einem Mann oder einer Frau gehörte. »Grüß Gott, Kripo Kempten, Kluftinger mein Name. Wir haben ein etwas spezielles Anliegen. Es geht um so einen Standplatz der Stadt, auf dem vor ein paar Jahren Schausteller ihre Karussells und so geparkt hatten. Anscheinend gab es dann Schwierigkeiten, und die Leute mussten mit den Sachen umziehen. Vielleicht könnten Sie mich mit jemandem verbinden?«
»Nein.«
»Nein?«
»Nein. Das brauch ich nicht, mein ich. Ich kann mich noch gut dran erinnern. Das hat mich einiges an Arbeitszeit gekostet. Vielleicht sogar Lebenszeit. Alles wegen so einem Wichtigtuer. Wir hatten da einen nervigen Anwohner, ich glaub, einen überkorrekten Beamten. Also, nix gegen Beamte, bin ja selbst einer. Der aber hat sich permanent beschwert, weil bei ihm vor der Haustür illegal diese Leute ihr Zeug abstellen würden und weil da verkommene Subjekte hausen würden und so. Wir haben sie zwar all die Jahre auf dem Platz geduldet, viele wohnten tatsächlich auch in den Wägen, aber als dann Beschwerden kamen, mussten wir einschreiten. Erst einige Zeit später haben wir draußen am Stadtrand ein neues Gebiet für sie ausgewiesen. Aber die mussten erst mal weg. Das war für die vom Jahrmarkt natürlich eine beschissene Situation.«
»Verstehe. Wissen Sie zufälligerweise noch den Namen des Anwohners, der sich beschwert hat?«
»Hm, wie war das noch …«
Sie konnten förmlich durchs Telefon hören, wie ihr Gesprächspartner nachdachte. »Nee, tut mir leid, das weiß ich wirklich nicht mehr.«
Enttäuscht blickte Kluftinger seine Kollegen an.
»Aber ich hab die Akte noch, soll ich Ihnen die betreffenden Stellen faxen?«
»Ja, ja, das wär perfekt, danke«, rief der Kommissar überschwenglich in den Hörer. »Danke, Herr … Frau …«
Ein Knacken in der Leitung sagte ihnen, dass das Gespräch beendet war.
»Wir sind so nah dran«, erklärte Kluftinger und hielt Daumen und Zeigefinger ein winziges Stück auseinander.
Hefele wollte nun auch nicht länger mit seinen Neuigkeiten warten. »Männer, hört’s zu: Wie ihr euch denken könnt, es war natürlich die Burlitz, die in der Klinik schon auf das Herz gewartet hat. Deshalb musste Siegfried Holz sterben. Ohne dass er selbst irgendetwas getan hätte. Sieht so aus, als hätten die Burlitz bei ihrem ersten Mord noch Skrupel gehabt, es selbst zu tun. Aber nachdem es so glatt gelaufen ist, haben sie die allem Anschein nach über Bord geworfen.«
Das Faxgerät sprang an, und Kluftinger stellte sich ungeduldig daneben, bis die Maschine das Papier ausgespuckt hatte. Dann griff er es sich und begann, die Blätter zu überfliegen.
Die Tür ging auf, und Sandy Henske kam herein. »Also, ich hab’s noch mal versucht, aber niemanden erreicht. Is er denn immer noch nich da, der …«
»Richard Maier.« Kluftingers Stimme klang belegt und brüchig.
»Ja, genau. Warum so förmlich, isser denn jetzt da?«
Der Kommissar hob den Kopf, doch er schien durch seine Sekretärin hindurchzublicken. Dann hielt er das Papier hoch und sagte: »Richard Maier steht hier.«
»Wo?« Hefele hatte noch nicht begriffen.
»
Er
war der Anwohner.«
»Der pingelige Beschwerdeführer, wegen dem die Familie Burlitz umziehen musste?«, fragte Strobl.
Verwirrt sah Sandy zwischen ihnen hin und her, doch sie schien zu spüren, dass die Lage ernst war, und verkniff sich eine Nachfrage.
Jegliche Farbe war aus Kluftingers Gesicht gewichen. Zittrig zog er sich einen Stuhl heran. »Und ausgerechnet seit heute früh fehlt der Richie unentschuldigt …«
Auch die anderen waren geschockt. Hefele versuchte halbherzig, ein wenig Zuversicht zu verbreiten: »Aber wegen so was, da bringt man doch keinen um!«
»Die schon«, erwiderte Kluftinger tonlos, »das haben sie eindrucksvoll bewiesen, würde ich sagen.«
Es hatte ein paar Sekunden gedauert, bis sich die Polizisten aus ihrer Schockstarre befreit hatten. Jetzt liefen sie nervös hin und her.
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