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Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Titel: Herzen aus Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona McIntosh
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Plötzlich tat sich ein riesiger, klaffender Spalt auf, und gewaltige Felsbrocken brachen von den Wänden ab. Jack konnte nichts mehr sehen, und so hielt er sich an Rupert fest, während er darauf wartete, erschlagen zu werden.
    Der schrille Ton, so wurde ihm erst jetzt bewusst, war sein eigener, lang gezogener Schrei, der von der weit mächtigeren Stimme der Natur mühelos übertönt wurde. Sein Kopf und Körper schmerzten, als ihn Steine und Schutt am Rücken und an den Schultern trafen. Er hielt Rupert weiter umklammert, während Bilder von seinen Eltern und von Iris vor seinem inneren Auge aufblitzten. Er sah Ned, das Gesicht voller Anklage, sah Brent mit eingeschlagenem Schädel auf dem Boden liegen. Er sah Arnold de Souza, der die Hände nach ihm ausstreckte, und schließlich glaubte er einen Engel zu sehen, der ihn willkommen hieß und zu sich winkte. Dann aber wurde ihm bewusst, dass das kein Engel, sondern sein Dienstmädchen war. Sie trug einen fließenden grauen Sari mit eingesponnenen Silberfäden, der inmitten dieser Apokalypse herrlich funkelte. Mit ruhiger Stimme erklärte sie ihm, dass er überleben müsse.
    Ein brennender Schmerz durchfuhr ihn, als er seine Position veränderte. Aber dieser Schmerz war ihm höchst willkommen, war er doch der Beweis dafür, dass er noch am Leben war. Er griff an seinen Hinterkopf und spürte dort Feuchtigkeit. Dann merkte er, dass auch sein Gesicht voller Blut war.
    »Rupert … Rupert!«
    Der junge Walker unter ihm stöhnte. Dankbar dafür, dass si e beide den Erdrutsch überlebt hatten, wandte Jack seine Aufmerksamkeit wieder den Männern der Rettungsmannschaft zu.
    »Hey!«, schrie er in die Dunkelheit hinein. Seine Stimme wurde sofort zurückgeworfen. In diesem Moment begriff er, dass sie von den anderen abgeschnitten worden waren. Er wagte nicht, sich zu bewegen, denn wenn er in der pechschwarzen Dunkelheit in ein Loch trat, war er für immer verloren.
    Jack wurde von grenzenloser Panik gepackt. Er war in Tunnel neun gefangen, verletzt, blutend, zusammen mit einem Mann, den es so schwer getroffen hatte, dass er sterben würde, wenn er nicht innerhalb kürzester Zeit medizinische Hilfe be kam. Jack tastete nach seiner Lampe, dann wurde ihm klar, das s er es ohnehin nicht riskieren konnte, sie wieder anzuzünden. Eine offene Flamme war wegen der Gase, die im Stollen freigesetzt worden waren, viel zu gefährlich. Jack hatte das Gefühl, in der Hölle festzusitzen. Es war Ruperts Stöhnen, das ihn aus seiner Verzweiflung herausriss.
    »Walker … Rupert! Was machen deine Schmerzen?«
    »Na, was glaubst du denn?«, kam die geknurrte Antwort.
    Jack war in keiner Weise gekränkt. Rupert zeigte Mumm. Und den würde er auch brauchen, wenn sie lebend hier herauskommen wollten. Jack entschied, dass es besser war, bei dem Versuch, sich bis zur Oberfläche durchzukämpfen, zu sterben, als einfach hier unten sitzen zu bleiben und auf den Tod zu warten.
    »Jetzt wird wohl keine Rettungsmannschaft mehr kommen. Kannst du aufstehen?«
    Rupert seufzte. Anscheinend war er bei klarem Verstand. »Das bezweifle ich. Bei der ersten Explosion hat meine ganze rechte Seite übel etwas abgekriegt.«
    »Lass es uns wenigstens versuchen, ja?«
    »Einverstanden. Etwas anderes bleibt uns wohl kaum übrig.«
    Jack erhob sich, wobei er sorgfältig darauf achtete, wo er hintrat. Zuerst war ihm noch etwas schwindelig, aber sein Kopf wurde trotz der Schmerzen rasch wieder klar. Er seufzte. Dann beugte er sich zu Rupert herunter. »Du bist dran.« Er griff Iris’ Bruder unter die Arme. »Stemm dich mit dem gesunden Bein nach oben.«
    »Ja, vielen Dank, Bryant. Ich glaube, das kriege ich hin.«
    »Dann mal etwas mehr Tempo, du bist doch kein altes Weib!«
    Es war unglaublich, aber Rupert begann tatsächlich zu lachen. Jack stimmte in sein Lachen mit ein. Es währte jedoch nicht lange. Rupert schrie vor Schmerz auf, als er nur versuchte, seinen rechten Fuß zu belasten.
    »Ist der Knöchel gebrochen?«, fragte Jack besorgt.
    »Mit Sicherheit«, stieß Rupert zwischen kurzen, flachen Atemzügen hervor.
    Jack wischte sich das Blut aus den Augen, das aus einer Wunde an seinem Kopf trat. Seine Schulter brannte wie Feuer, aber das war im Augenblick das geringste ihrer Probleme. »Wir müssen uns in Bewegung setzen, solange du deine fünf Sinne noch beisammen hast.«
    »Also, wenn dir das ein Trost ist, die Schmerzen haben mich wieder zur Besinnung gebracht.«
    »Das ist gut, Rupert. Das ist wirklich gut.

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