Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
Also, ich bin für jeden Vorschlag offen.«
Rupert holte tief Luft. Jack schwieg. Er hoffte inständig auf ein Wunder, auch wenn er wusste, dass es keine Wunder gab.
»Wenn mir mein Gedächtnis keinen Streich spielt, dann gibt es tatsächlich einen Weg, der hier rausführt«, begann Rupert. »Neun A hat ein Stück weiter eine Verbindung zu C, nur leider nicht auf derselben Sohle. Wir können nur hoffen, dass die Leitern noch da sind.«
»Und dann?«
»Wenn die alten Leitern intakt sind, könnte es uns gelingen, zunächst auf eine höhere Sohle zu kommen, um von dort aus den Weg zum Förderkorb zu finden.«
Das war eine absolut nachvollziehbare Überlegung. Jack war beeindruckt. »Wenn es hart auf hart kommt«, sagte er, »werde ich dich notfalls auch zweihundert Meter die Leitern hinauftragen.«
»Jack, du kommst ohne mich viel schneller voran.«
Jack schnaubte. »Ich kann dich zwar nicht besonders leiden, Walker, aber ich würde lieber das Risiko eingehen, dich die verdammten Leitern hinaufzuschleppen, als deiner Mutter ohne dich gegenüberzutreten.«
»Also gut. Wir müssen zu Tunnel C. Soll ich versuchen zu hüpfen?«
»Ich glaube, ich werde dich tragen müssen. Ich kann noch immer nicht die Hand vor Augen sehen, also werden wir uns mit großer Vorsicht vorantasten müssen und um ein bisschen Glück beten.«
»Du musst einfach nur den Schienen der Loren folgen, auf diese Weise kannst du gar nicht vom Weg abkommen.«
»Richtig. Aber bevor wir losgehen, sollte ich dir besser noch eine Aderpresse am Arm anlegen.«
Es dauerte nicht lange, bis Jack sein Hemd in Stoffbahnen gerissen und diese an Ruperts rechtem Arm befestigt hatte, dann zog er den jungen Walker auf seinen Rücken und machte sich taumelnd auf den Weg. Ruperts Gewicht war für ihn kein Problem, denn dieser war so schmächtig, wie er klein war, aber in der Dunkelheit stieß Jack öfter an Ruperts Arm, was diesem jedes Mal ein leises Stöhnen entlockte.
Bald schon hatte er jedes Gefühl für Zeit und Raum verloren. Er konzentrierte sich einzig und allein darauf, einen Fuß sicher vor den anderen zu setzen. Er war sich nicht einmal mehr sicher, ob Rupert überhaupt noch bei Bewusstsein war; die Aderpresse hatte seine Schmerzen mit Sicherheit noch verstärkt.
Jack dachte an zu Hause. An Pendeen und an den Friedhof, auf dem sie Billy begraben hatten und auf dem auch all die anderen Söhne von Pendeen begraben lagen, die damals bei der Katastrophe in der Levant-Mine ums Leben gekommen waren. Diesmal würde er niemanden verlieren. Diesmal nicht!
»Bryant!«, sagte Rupert plötzlich.
»Was ist?«
»Ich glaube, wir sollten uns jetzt nach der Stelle umsehen, wo die Tunnels aufeinanderstoßen. Ich habe sie gezählt.«
»Was hast du gezählt?«
»Deine Schritte. Das bringt man den Bergleuten für einen Notfall wie diesen bei. Ich denke, wir sind ganz nah dran.«
»Was sollen wir machen?«
»Du musst die Umgebung mit den Händen abtasten. Tut mir leid, dass ich dir keine große Hilfe dabei bin.«
»Ich setze dich am besten ab, dann kann ich mich schneller bewegen.«
Es war für sie beide schmerzhaft, aber schließlich lehnte Rupert an der heißen, trockenen Wand des Tunnels. Jack atmete schwer. »Ich nehme nicht an, dass du eine Wasserflasche dabeihast?«, fragte er.
»Doch! Oder zumindest sollte ich eine haben. Hier.« Rupert führte Jacks Hand in der Dunkelheit. »An meinem Gürtel.«
»Bitte sag, dass noch was drin ist.«
»Sicher. Hast du sie?«
»Ja«, erwiderte Jack und begann zu trinken. Er hätte die Flasche gern geleert, setzte sie aber nach den ersten beiden großen Schlucken ab. »Hier, trink auch etwas.«
»Danke«, sagte Rupert, nahm die Flasche und trank in kleinen Schlucken. »Jetzt ist sie leer, Jack.«
»Wir werden auch nichts mehr brauchen. Den nächsten Schluck trinken wir unter freiem Himmel.«
»Dieses Versprechen solltest du besser halten«, warnte Rupert ihn.
»Und dann werden wir uns beide sinnlos besaufen.«
»Na dann: Prost!«
Über Tage wurden inzwischen die ersten Verunglückten aus dem Förderkorb gehoben. Ned sah voller Verzweiflung dabei zu, wie die Frauen sich auf die Brust schlugen und dann ihre Kleidung zerrissen. Drei Männer waren bereits tot gewesen, als man sie geborgen hatte, ein weiterer war wenige Minuten, nachdem man ihn nach oben gebracht hatte, gestorben. Fünf Bergleute waren lebensgefährlich verletzt.
Ned sah, wie Harold Walker von Patient zu Patient eilte und die Männer nach der Schwere
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