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Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Titel: Herzen aus Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona McIntosh
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sein Hals war staubtrocken und sein Wasserkanister schon seit einiger Zeit leer. War es besser umzukehren?
    Genau in diesem Augenblick hörte er Stimmen. Klar und deutlich. Er war hin- und hergerissen. Sollte er zurückgehen, bis er auf das Bergungsteam traf, oder sollte er weiter vordringen, dorthin, wo, wie er sich jetzt sicher war, Rupert und seine Kameraden eingeschlossen waren?
    Jack entschied sich dafür, weiterzugehen. Er hätte niemals damit leben können, Iris ins Gesicht zu sehen und ihr gestehen zu müssen, ihren Bruder im Stich gelassen zu haben.
    Allein diese Vorstellung trieb ihn weiter.
    Als Jack Rupert fand, war dieser kaum noch bei Bewusstsein.
    »Rupert, rede mit mir! Komm schon, ich habe dich rufen hören.«
    Rupert lag am Boden. Eine hässliche Wunde klaffte an seinem Kopf, ein Teil seiner Kopfhaut war weggerissen, und er blutete heftig. Sein Anblick erinnerte an die Bilder der Männer, die in den Schützengräben gestorben waren. Jack wünschte sich, er hätte Riechsalz dabeigehabt. Dann rief er sich in Erinnerung, dass die Retter in wenigen Minuten hier sein mussten. Bis dahin war es seine Aufgabe, mit Rupert zu sprechen, damit dieser nicht ohnmächtig wurde.
    »Großer Gott, das tut so verdammt weh«, stöhnte Rupert. »Bist das wirklich du, Bryant?«
    »Ich fürchte ja.« Er drückte Rupert beruhigend die Hand. »Du musst jetzt einfach ruhig blieben. Und du darfst auf keinen Fall das Bewusstsein verlieren. Ich werde dich mit dieser Wunde am Kopf nicht bewegen.« Über Ruperts völlig zerquetschten rechten Arm, der immer schlimmer aussah, je öfter er einen Blick darauf warf, verlor er kein Wort. »Gleich hinter mir kommt eine Rettungsmannschaft. Die wird dich hier rausbringen. Wo ist Drake?«
    Rupert standen Tränen in den Augen. »Er ist fort.«
    »Fort? Fortgegangen, um Hilfe zu holen?«
    »Nein, fort! Er ist in das große schwarze Loch dort drüben gestürzt. Die ganze Wand ist zusammengebrochen und hat ihn mit sich gerissen. Ich glaube, meinen Arm hat sie auch erwischt. Ich bin bis hierhergekrochen, aber dann konnte ich einfach nicht mehr weiter. Ich muss … muss ohnmächtig geworden sein.« Jetzt liefen ihm die Tränen übers Gesicht.
    »Hör zu. Dein Arm ist genau dort, wo er hingehört«, versicherte ihm Jack und versuchte selbst daran zu glauben, dass Ruperts Arm noch gerettet werden könnte. Plötzlich war da wieder dieses tiefe Grollen, nicht weit von der Stelle entfernt, an der er noch vor Kurzem gekauert und überlegt hatte, was er tun sollte.
    »O mein Gott. Es geht schon wieder los, Jack. Wir werden alle hier unten krepieren!«
    »Bleib ruhig, Rupert. Das sind nur kleine Erschütterungen; die Erde muss sich setzen.«
    R upert stieß trotz seiner Schmerzen ein verächtliches Schnau ben aus. »Fang lieber an zu beten, Bryant. Das war genau das Geräusch, das wir vor der Explosion gehört haben. Ich sage dir, es geht gleich wieder los!«
    In diesem Moment vernahm Jack noch andere Geräusche. Das musste die Rettungsmannschaft sein. Eine große Erleichterung durchströmte ihn. Jetzt konnte ihnen nichts mehr geschehen. Er versuchte, nicht an John Drake und Arnold de Souza zu denken oder an die Dutzenden von Männern, deren Namen er nicht kannte und die eingeschlossen oder verletzt waren, sterbend oder bereits tot. Auch sie hatten Familien, die sie liebten. Die Minengesellschaft würde sich um diese Familien nicht in derselben Art und Weise kümmern wie um die Familien von de Souza oder Drake – mit Schadenersatzzahlungen, Rentenzahlungen, psychologischer Betreuung und jeder erdenklichen Unterstützung. Den indischen Familien blieb nur ein Leichnam, den sie verbrennen konnten – wenn sie das Glück hatten, dass der Tote überhaupt geborgen werden konnte.
    Er sah zu Rupert hinüber, der jetzt ganz still dalag.
    »Rupert. Komm schon, Mann. Du wirst schon bald wieder oben sein. Deine Familie wartet schon auf dich. Du willst doch sicher bei Bewusstsein bleiben, damit du ihr sagen kannst, dass es dir gut geht, oder etwa nicht?«
    Rupert murmelte etwas. Jack war froh, dass er noch bei Bewusstsein war.
    »Hier!«, schrie er. In der Ferne waren deutlich Stimmen zu vernehmen.
    »Bryant?«
    »Hier drüben! Passt aber auf die …«
    Er kam nicht weiter. Zuerst war da nur ein tiefes Grollen, das jedoch fast augenblicklich einem schrillen Kreischen wich. Jack zog Rupert instinktiv an sich, versuchte, ihn mit seinem Körper zu schützen, während er seinen eigenen Kopf mit den Armen abschirmte.

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