Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
ihrer Verletzungen in drei Gruppen einteilte. Jeweils ein Team von Ärzten und Krankenschwestern war aus dem Mines Hospital in Champion Reef und dem Civil Hospital in Robertsonpet zum Ort des Unglücks geeilt. Ned fühlte sich hilflos. Er bot an, ein Auto mit Verletzten zu fahren, aber dafür wurden im Augenblick keine Freiwilligen gebraucht. Es befanden sich inzwischen jedoch so viele Menschen auf dem Gelände, dass die Rettungsarbeiten ernsthaft behindert wurden.
»Ned, sag den Leuten, sie sollen Abstand halten«, bat Walker ihn. »Die Krankenwagen kommen sonst nicht durch.«
Und so war Ned plötzlich dafür verantwortlich, die Schaulustigen in Schach zu halten. Iris hatte er mittlerweile aus den Augen verloren, aber er sah Kanakammal, die auf einem kleinen Hügel stand und unverwandt auf den Eingang des Schachts blickte.
Ned hatte soeben von Harold Walker erfahren, dass eine der Rettungsmannschaften für kurze Zeit mit Jack Verbindung gehabt hatte, die jedoch nach einem weiteren Beben wieder abgerissen war.
»Arnold de Souza wurde inzwischen gefunden. Er ist tot«, sagte Walker seufzend. »Er war in Jacks und Charlies Gruppe. Sie haben Charlie wegen seines Asthmas nach oben geschickt. Er wird gerade dort hinten behandelt.«
»De Souza ist tot?«
»Zerquetscht. Jack ist weitergegangen. Frag mich nicht, warum. Ich kann nur hoffen, dass er meinen Sohn entdeckt hat, denn niemand sonst hat etwas von Rupert gesehen oder gehört.«
Sie sahen einander stumm an. »Dann hilft wohl nur noch beten«, sagte Ned.
»In der Tat. Kein Wort zu meiner Frau, Ned. Noch gibt es keine bestätigten Neuigkeiten. Bleib bitte auf deinem Posten. Ich befürchte, es wird schon bald noch schlimmer werden.«
»Wenn Jack bei Rupert ist, dann wird er es schaffen, Harold.«
Der alte Mann lächelte ihn traurig an. Dann kehrte er wieder zu seinem behelfsmäßigen Lazarett zurück.
30
Jack konnte es kaum fassen. »Ich habe die Leiter tatsächlich gefunden, Rupert! Du hattest recht!«
»Siehst du, mein Verstand arbeitet noch immer sehr präzise!«
Jack empfand plötzlich großen Respekt vor Rupert Walker, und dieser wenn auch etwas widerwillige Respekt wuchs mit jeder Minute.
»Gut gemacht«, lobte ihn Rupert, und Jack meinte, einen etwas merkwürdigen Unterton aus seinen Worten herauszuhören. »Hör mal, ich bin mir nicht sicher, ob ich das schaffen werde«, sagte der junge Walker jetzt. »Ich möchte, dass du allein weitergehst …«
»Hör auf, so einen Blödsinn von dir zu geben, Mann. Wir sind jetzt schon so weit gekommen, stehen kurz vor dem Ziel!«
Rupert schien plötzlich einen Schwächeanfall zu erleiden. Sein Atem ging stoßweise.
»Ich werde dich hier unten nicht zurücklassen.«
»Ohne mich hast du eine reelle Chance …«
»Ich lasse dich nicht zurück«, erklärte Jack langsam, aber mit aller Entschiedenheit, und kauerte sich neben seinen Kameraden auf den Boden. »Reiß dich zusammen, Mann! Reiß dich zusammen, so wie das dein Vater von dir erwarten würde, und hilf mir dabei, dich auf meinen Rücken zu bekommen. Wir haben jede Menge Sprossen vor uns.«
»Willst du wissen, wie viele genau?«, murmelte Rupert.
»Halt die Klappe, Walker. Jetzt steig schon auf meinen Rücken, damit wir endlich hier rauskommen. Ich sterbe für ein Bier!«
Sie begannen zu lachen; es war das gemeinsame, nervöse Lachen von Menschen, die keine andere Wahl haben. Sie nahmen wieder die inzwischen gewohnte Position ein. Diesmal packte Jack Rupert fest unter den Knien. Er wollte nicht riskieren, dass dieser von seinem Rücken rutschte, falls er das Bewusstsein verlor.
Iris brachte Ned eine Tasse Kaffee mit süßer Kondensmilch.
»Ich weiß nicht, wie deine Mutter es schafft, einfach weiter zumachen«, bemerkte er seufzend, als er den sirupartigen, trös tlichen Geschmack auf der Zunge spürte.
»Es hilft ihr dabei, nicht durchzudrehen. Aber im Moment ist sie kurz davor … seit dem Felsschlag sind jetzt schon mehr als acht Stunden vergangen.«
»Du musst zuversichtlich bleiben. Wir alle müssen das.«
»Jeder zweite Mann, den sie bergen, hat fürchterliche Verletzungen. Entweder das, oder er ist tot«, sagte sie. Tränen liefen ihr übers Gesicht. »Ich könnte es nicht ertragen, Rupert niemals wiederzusehen.«
N ed versuchte verzweifelt, die richtigen Worte zu finden, um sie zu trösten. Sie weinen zu sehen, brach ihm schier das Herz. »Hör zu. Du musst mir schwören, dass du Flora noch nichts davon sagst, aber es gibt eine
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