Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
was gut zu ihren schmalen Lippen und den wie tot wirkenden Augen passte, mit denen sie sich missbilligend in seinem Büro umsah. Sie fächelte sich ohne Unterlass Luft zu, obwohl er den Deckenventilator entgegenkommenderweise eine Stufe höher eingestellt hatte.
»Wie halten Sie es hier drin nur aus, Chefinspektor?«, brummte sie. »So stickig, wie es in diesem Raum ist.«
»Ich bin daran gewöhnt«, erwiderte er ruhig und rührte weiter in aller Ruhe in seinem Tee, da er wusste, dass sie das ärgerte. Diese Engländerin war ihm zutiefst unsympathisch. Sie hatte den weiten Weg aus Rangun auf sich genommen, nur um seine Leute in Misskredit zu bringen. Dr. Brents Tod war zwar ungewöhnlich gewesen; Anhaltspunkte für ein Verbrechen hatten sich jedoch nicht ergeben. Soweit es ihn betraf, war der Fall erledigt. Bei dem Ganzen hatte es sich um einen bedauerlichen Unfall gehandelt.
Er hatte bereits zweimal mit der Dame gesprochen. Beim ersten Mal, am Telefon, hatte er sich höflich erkundigt, warum ihr so sehr an einer Wiederaufnahme des Falls gelegen sei. Während sie ihm erklärt hatte, dass sie der Wahrheit Geltung verschaffen wolle, hatte er überlegt, dass Brents Tod das Aus für das Waisenhaus und für die Zukunft seiner Frau in Rangun bedeutet hatte.
Während des zweiten Gesprächs, das dann bereits in Bangalore stattgefunden hatte, waren Details von Edward Sinclairs sehr kurzem Aufenthalt im Waisenhaus zur Sprache gekommen. »Sind Sie der Sache nachgegangen, so wie ich es verlangt habe, Inspektor?«, hatte sie ihn bedrängt.
»Chefinspektor, Madam«, hatte er sie höflich hingewiesen. »Ja, Mr. Sinclair hat uns von dieser Verbindung berichtet. Er selbst hat nur kurz im Hause der Walkers mit Ihrem Mann gesprochen, nicht im Club.«
»Der Mann, der ihn gefunden hat, war Sinclairs Freund. Kommt Ihnen das nicht verdächtig vor, Chefinspektor?«
»Nein, Mrs. Brent. Der ermittelnde Polizeibeamte hat dies als Zufall angesehen. So steht es jedenfalls in seinem Bericht. Mir ist bekannt, dass Sie uns wiederholt gebeten haben, nach einem Anhaltspunkt für eine Straftat zu suchen, Mrs. Brent, aber ich darf Ihnen noch einmal versichern, dass es kein Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen gab, keine Spuren eines Kampfes und keine ungeklärten Fingerabdrücke. Es gab nicht einmal die für ein Tötungsdelikt typischen Hinweise: keine Waffe, kein Blut, keine Verdächtigen, kein Motiv.«
Man hatte der Dame bereits einen vollständigen Untersuchungsbericht zukommen lassen, und Dravid hatte gehofft, dass das genügen würde. Aber jetzt war sie wieder da, und diesmal wartete sie mit den angeblichen Informationen eines bislang unbekannten Zeugen auf. Dravid hielt diesen Zeugen für höchst fragwürdig. Im Falle des Falls würde dessen Aussage gewiss angezweifelt werden, vor allem dann, wenn sie gegen das Wort eines Engländers stand.
Der Chefinspektor erklärte sich mit einem langen Seufzer zu diesem dritten und, wie er hoffte, letzten Gespräch bereit. Er würde ihr also doch noch erklären müssen, warum es das Beste war, die Toten in Frieden ruhen und sie ihre Geheimnisse mit ins Grab nehmen zu lassen.
Ned befand sich in einer überaus düsteren Stimmung. Er war unter dem Vorwand, diese Angelegenheit persönlich regeln zu müssen, hergekommen, in Wahrheit jedoch brauchte er eine Ablenkung. Iris in Jack Bryants Armen zu sehen, hatte ihm Übelkeit verursacht, doch dieses Gefühl war sehr schnell einer dunklen, kalten Wut gewichen.
Er starrte das Chaos aus Drähten an und verzog das Gesicht. Dann sah er seinen Kollegen an, einen älteren Anglo-Inder namens Verne, der aus Bangalore angereist war. Sie hatten sich hier auf dieser Wiese, nicht weit von der Stadt entfernt, getroffen, wo ein paar gerissene Dorfbewohner die Leitungen zwischen Bangalore und KGF anzapften.
Ned stand auf einer Leiter, die er mit seinem Kollegen herbeigetragen hatte.
»Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ganze Kolonnen von Männern jeden Abend mit Kerosin durch die Stadt fuhren, Lampen füllten, Dochte beschnitten und so die Stadt erleuchteten«, seufzte der ältere Mann. »Jetzt nehmen wir es als selbstverständlich, jederzeit Strom und Licht zu haben.«
Ned war nicht in der Stimmung, um in Erinnerungen zu schwelgen. »Aber es gibt viel zu viele Leute«, entgegnete er, »die wie diese Witzbolde hier nicht die geringste Ahnung haben, wie Elektrizität funktioniert und wie gefährlich sie ist.« Er zeigte auf den Wirrwarr von
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