Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
mit Robbie James angefreundet.
Er hatte sich an ihrem ersten Tag beim Abendessen, das die Brents nicht beaufsichtigten, zu ihnen gesetzt.
»Nach wem siehst du dich denn ständig um?«, hatte Robbie Ned gefragt, als Nyunt und zwei andere Frauen das Essen auftrugen. Nyunt hatte kleine Pyramiden aus Reis in Schälchen gehäuft und dann eine wässrige Brühe darübergeschöpft.
»Nach Dr. Brent«, erwiderte Ned.
»Er ist heute Abend nicht hier. Und seine Frau nimmt ihre Mahlzeit allein in ihrem Zimmer ein.«
»Essen die Brents niemals zusammen mit den Kindern?«
»Nein. Nie. Sie kommen manchmal, um uns aufzufordern, uns für das Essen zu bedanken oder zu singen. Dr. Brent sieht uns gern beim Singen zu.«
Ned meinte, einen merkwürdigen Unterton in Robbies Worten zu vernehmen, konnte ihn jedoch nicht ganz einordnen. Vielleicht aber verstand er auch den burmesischen Humor oder Robbies etwas eigentümliche Art noch nicht richtig. »Vielen Dank, dass du meiner Schwester das Gefühl gibst, hier willkommen zu sein«, sagte er. Sie sahen beide zu Bella hinüber, die lustlos in ihrem Essen herumstocherte. Ihr Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass es ihr ziemlich gleichgültig war, was sie vor sich stehen hatte.
Robbie sagte: »Egal, ob es ihr schmeckt oder nicht, sie muss etwas essen.«
»Ja, seit unsere Mutter tot ist, wird sie immer dünner.« Ned lächelte Robbie dankbar an. »Wenn du nicht wärst …«
Robbie erwiderte sein Lächeln. »Miss Bella zu lieben ist nicht schwer. Sie ist ein Engel.«
»Sie hat eine Menge durchgemacht«, sagte Ned und schämte sich sogleich für diese Bemerkung, denn er wusste, dass er sich unter lauter Kindern befand, denen es auch nicht besser ergangen war als ihnen.
Robbie schien jedoch nicht beleidigt zu sein. »Du solltest auch etwas essen.«
»Was ist das eigentlich?«, fragte Ned und starrte in den Topf.
»Ich könnte dir den Namen nennen, aber du wirst ihn ohnehin nicht aussprechen können.«
Nyunt lachte.
»Ist gut«, sagte sie in holperigem Englisch, jedoch mit einem bezaubernden Lächeln. Jetzt konnte Ned nur noch schwerlich ablehnen, selbst wenn die Speise alles andere als appetitlich aussah. Bella zuliebe sollte er ohnehin mit gutem Beispiel vorangehen.
Er nahm sich ein Schälchen, das aus der halben Schale einer Kokosnuss gefertigt war, ließ sich von Nyunt etwas klebrigen Reis hineinfüllen und dann die wässrige, beinahe farblose Brühe darübergeben. Nachdem auch Robbie eine Schale erhalten hatte, setzten sie sich zu Bella.
»Alles in Ordnung?«, fragte Ned sie sanft.
Sie seufzte. »Ich habe keinen Hunger.«
»Das glaubst du nur. Aber dein Bauch braucht etwas zu essen, Miss Bella«, meinte Robbie ernst.
Sie kicherte leise, dann sagte sie: »Mir gefällt es, wie du redest.«
»Warum? Spreche ich denn nicht gut Englisch?«
»Perfekt«, räumte Ned ein und grinste Bella an. Auch er mochte Robbies Singsang.
»Ich werde den Kindern die Katzenwiege beibringen«, sagte Bella und zeigte auf den langen Wollfaden, den sie an den Enden zusammengebunden hatte.
Robbie runzelte die Stirn. »Was ist das? Katzen was?«
»Wiege«, sagten Bella und Ned wie aus einem Mund.
Er sah sie fragend an. Bella gab einen gespielten Seufzer von sich, legte ihren Löffel zur Seite und hatte binnen Sekunden die Wolle zu einem Gitter aus Fäden um ihre Finger geschlungen. Die Kinder, die sie bis zu diesem Augenblick stumm beobachtet hatten, scharten sich sofort mit großen Augen um sie.
Ned lächelte. Es freute ihn, seine Schwester so lebhaft zu sehen. Mit einer theatralischen Geste stellte er ebenfalls sein Schälchen auf den Boden, griff in die Wolle und spannte sie über seine Finger.
Die Kinder stießen einen Laut des Erstaunens aus, dann lachten sie und klatschten Beifall. Robbie staunte.
»Wie habt ihr das gemacht?«
»Das ist ein Spiel«, erklärte Ned. »Ich glaube, in Großbritannien lernt das jedes Kind, bevor es fünf ist!« Jetzt lachte auch er.
Bella hatte die Wolle in kürzester Zeit wieder um ihre Finger geschlungen. Robbie wirkte wie verzaubert. Ned fragte sich unwillkürlich, was für eine Zukunft den Jungen hier wohl erwartete. Wahrscheinlich würde er so enden wie Nyunt. Er würde im Waisenhaus bleiben und allein für Kost und Logis und das Gefühl der Zugehörigkeit arbeiten. Letzteres war jedoch etwas, was Ned durchaus nachvollziehen konnte. Eine große Traurigkeit überkam ihn, als er in Bellas strahlendes Gesicht sah. Er wollte nicht, dass Burma ihr Zuhause
Weitere Kostenlose Bücher